62
»Vater! in Deine Hände befehle ich meinen Geist!« — So schied
er, dem mit Recht der Beiname des Großen gebührt, ans dem
irdischen Daseim Noch an demselben Tage wnrde der Leichnam
gesalbt nnb geschmückt unb unter lautem Wehklagen des Volks
in der Marienkirche beigesetzt. Ueber seiner Gruft errichtete
man einen vergoldeten Bogen mit der Inschrift: »Unter diesem
Steine rnht der Körper Karl's, des großeil nnd rechtglänbigen
Kaisers, der das Reich der Franken ruhmvoll erweitert und 47
Jahre glücklich regiert hat. Er starb, ein 72jähriger Greis, im
Jahre der Geburt unsers Herrn 814 am 28. Januar. — Jetzt
bezeichnet die Grabstätte*) eine einfache Marmorplatte, welche
die kurze Inschrift trägt: Carolus Magnus.
Das ist Kaiser Karl der Große, der das Heidenthum zerbrach,
Der den Sachsen, eine Sonne, brachte Licht und heilen Tag,
Der die Jrmensäule stürzte, der die Ehresburg bezwang,
Dessen nie gebeugtem Willen auch das schwerste Werk gelang.
Das ist Kaiser Karl der Große, der den Thassilo im Flug,
Der Avaren und Lombarden, Araber und Sachsen schlug;
Der die alten faulen Stämme mit den Wurzeln riß heraus,
Daß die neuen Bäume wuchsen nach dem Himmel frei hinaus.
Das ist Kaiser Karl der Große, wunderherrlich anzuschau'n,
Der zerstörte, um zu schaffen, niederwarf, um aufzubau'n,
Der das Schwert des Krieges führte, nur den Frieden in dem Blick,
Der nach Beute nicht, nach Bildung strebte nur und Völkerglück.
Ortlepp.
*) Ueber derselben hängt ein großer, von Kaiser Friedrich Barbarossa
dahin geschenkter Leuchter, welcher die Form einer Krone hat.