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über solche Kräfte, hielt er nichts für zu hoch, als daß er es nicht
erringen könne. Er trachtete, alles von der Nordsee bis zu den
Alpen gelegene Land zu Einem Königreiche zu vereinigen und
dann das östliche Europa von den Türken zu befreien; nur daß
ihm bei allen seinem kriegerischen Muthe und der Kühnheit seiner
Plane, in den häufigen Aufwallungen der Leidenschaft, die Beson¬
nenheit fehlte, große Unternehmungen, trotz unerwarteter Hin¬
dernisse, glücklich zu Ende zu führen.
Ludwig kam ganz leise gegangen. Er schickte in aller Stille
den Lüttichern Geld und munterte sie auf, sich für die erlittene
Schmach an dem Herzoge zu rächen. Mit diesem setzte er dagegen
die freundschaftlichen Unterhandlungen so tauschend fort, daß
Karl schon die schlechte Meinung von seiner Ehrlichkeit zurückzu-
nehmen anfing. Ec bot ihm sogar einen nachbarlichen Besuch
an. Es ward dazu die Stadt Peron ne ausersehen (1468, Oct.).
Karl erschien daselbst mit ziemlich starker Begleitung, Ludwig
nur mit geringer; er wußte, daß dem geraden Sinne des Her¬
zoges zu trauen war, und wollte ihn eben durch dieses Vertrauen
noch treuherziger und sicherer machen. Begleitet von seinen vor¬
nehmsten Hofbcamtcn, Rittern und Edlen, war Letzterer zu Pferde,
in glänzendem Zuge, dem Könige entgegen gekommen, sein Gefolge
starrend von Gold und Silber. Das von Ludwig dagegen war,
im Vergleiche mit diesem, armselig im Aeußern» Die Erscheinung
des Königs selbst, in seinem abgetragenen Kleide, mit dem gewöhn¬
lichen hochköpfigcn Hute, eingefaßt von Heiligenbildern, machte
den Contrast noch auffallender, und als der Herzog, geschmückt
mit Krone und fürstlichem Mantel, von seinem hohen Rosse sprang
und auf ein Knie sich nicderlaffen wollte, indcß Ludwig von seinem
kleinen Klepper stieg, streifte die Wirkung dieses Auftrittes fast
an's Groteske. —
Beide Fürsten traten mit ihrem Gefolge im Schlosse ab.
Indem der König im Fenster lehnte, sah er des Herzogs Truppen
vorbei ziehen, und zwar fast nur unter Anführern, die ehemals
in französischen Diensten gestanden hatten und von ihm beleidigt
worden waren» Er konnte demnach die Besorgniß nicht verbergen,
daß er vielleicht vcrrathen sey. Allein kaum bemerkte dies Karl,
als er, ihn zu beruhigen, ihm freistcllte, ob er in der
Stadt bleiben, oder die Eitadelle außerhalb der Mauer beziehen
wollte» Der König wählte das Letztere. Da er aber, nichtsde-