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Selten war man in der Hauptstadt auf ein Verhör begie¬ 
riger gewesen, als auf das mit diesem Verbrecher. Man trug 
sich mit den abenteuerlichsten Gerüchten, man sprach von einer 
weitverzweigten Verschwörung, vom nahen Umstürze der Ver¬ 
sagung u. dgl. Allein die Verhöre, die mit großem Geräusche 
eröffnet wurden, offenbarten etwas ganz anderes. Es ergab sich 
daraus, daß die That einzig die Frucht einer melancholischen 
Jdccnverwirrung gewesen, daß der Mörder bei seinem Verbrechen 
durchaus keine Mitschuldige habe, und daß an gar keine Ver¬ 
schwörung zu denken scy. Der Mensch hieß Robert Franz 
Damien, hatte mehrere Jahre in vornehmen Häusern bei Parla- 
mcntsglicdern, Magistralspcrsonen rc. gedient und hatte hier oft 
bei der Tafel von der schlechten Verwaltung des Staates, von 
der Sorglosigkeit des Königs und von dessen zu großer Nachsicht 
gegen die Geistlichkeit sprechen gehört und sich die Idee festgesetzt, 
daß er dem Staate eine Wohlthat erzeige, wenn er den Monar¬ 
chen auf die Unzufriedenheit des Volks aufmerksam mache. Drei 
Jahre lang hatte er darüber gebrütet, wie er wohl den in Lüsten 
begrabenen König aus seinem Schlummer wecken und zur Erkcnnt- 
niß seiner Pflicht bringen könne, und endlich war er dabei stehen 
geblieben, man müsse — nicht ihn tobten, sondern ihm nur den 
Tod von ferne zeigen — ihn verwunden. Wirklich erhielt diese 
Behauptung auch durch die Beschaffenheit des Mordinstrumcnts 
einige Bestätigung. Dasselbe hatte zwei Klingen, eine sehr lange 
und eine kurze Federmcsserklinge, welcher letzteren sich Damien 
bedient hatte, um keine tiefe Wunde zu machen*). 
Am 26. März ward er zum letzten Male verhört, und zwar 
von Morgens acht llhr bis Abends halb sechs Uhr. Auch jetzt 
bis auf den letzten Augenblick blieb er dabei, daß ec keine Mit¬ 
schuldige gehabt, und daß kein Mensch auf der Erde etwas von 
seinem Vorsätze gewußt habe. Selbst die ordentliche und außer¬ 
ordentliche Folter, welche letztere er zwei Stunden aushalccn 
*) Zur Bcurthcilung btcfcè Verbrechers ist ein Umstand, den er im Ver¬ 
höre aussagte, besonders zu bemerken: Erhöbe, als er zur Voll¬ 
bringung der That nach Versailles gekommen, eine solche Beängstigung 
gespurt, dass er im Wirthshause gebeten, man möge ihm zur Ader 
lassen. Hatte man ihm darin seinen Willen gcthan, so wäre die That 
gewiß nicht geschehen.
	        
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