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Angesichts des ganzen Landes zu trotzen. „Ja, spricht er —
wir haben gehört, was man dem Könige zu sagen aufgetragen
hat. Wir haben es gehört. Aber wer berechtigt Sie, mein
Herr, uns hier Befehle anzudeuten. Sie haben hier weder Sitz
noch Stimme und nicht einmal das Recht, zu sprechen. Wir
sind die Repräsentanten der Nation. Eine Nation ertheilt Befehle
und empfangt keine. Gehen Sie und sagen Sie Ihrem Gebieter,
daß wir hier sind kraft der Gewalt des Volks, und daß er die
Gewalt der Bajonette versuchen mag, uns von unserm Platze zu
treiben." Hierauf wendet er sich stolz umher und setzt sich
wieder. Alle Mitglieder, durch Mirabeau's Rede ermuthigt,
rufen einstimmig: „Dies sind die Gesinnungen der Versamm¬
lung." — Nachdem der Ceremonienmeistec den Saal verlasien
hatte, ward der genommene Entschluß sogleich decretirt, und der
Beschluß gefaßt: „daß die Personen aller Deputirten unverletzlich
scyen, und daß Jeder, der es wagen würde, gegen das Leben
oder die Freiheit eines Mitgliedes etwas zu unternehmen, mit
welcher Autorität er auch immer bekleidet scyn möge, als infam,
als Verräther des Vaterlandes und Criminalverbrechcc sollte
behandelt werden." —
Die Vorfälle in der Nationalversammlung verbreiteten sich
augenblicklich unter das Volk und wurden zu Paris und Versailles
mit vielen Zusätzen und Vergrößerungen bekannt. Die Straßen
überströmten von Menschen, die nach Ncckers Wohnung stürzten;
seine Entlastung ward allgemein befürchtet, und die National¬
versammlung begab sich selbst zu dem Minister, ihn zu bit¬
ten, in dieser kritischen Lage seine Stelle nicht niederzulegen.
Der König fürchtete die Folgen des herannahenden Aufruhrs;
er sah sich ohnmächtig und hülflos und erklärte deshalb von
dem Balkon des Schlosses dem unruhigen Volke: „daß Nccker
Minister bleiben würde, und die königliche Sitzung als nicht
geschehen angesehen seyn sollte." Abends ward der Minister,
dessen Entlassung Morgens beschlossen war, zum Könige gerufen
und von diesem und der Königin, bei dem Woble des Staats, zu
bleiben beschworen; die Königin gelobte förmlich, künftig keinen
andern Rathschlägcn, als den seinigen zu folgen. Necker ver¬
sprach cs und ward, als er die Schloßtreppe herunterkam, von
der daselbst versammelten Volksmenge unter Triumphgcschrei und
Händeklatschen nach Hause gebracht. Seine Abwesenheit bei der