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Jugendgeschichte Napoleon BonaparLe's.
Die Insel Korsika, Bonaparte's Geburtöland, sowie die
rauhen Bewohner derselben, sind uns schon aus der Geschichte
dieser Insel bekannt; jedoch ist die Familie Bonaparte nicht
korsikanischen Ursprungs, sondern gehört zu der Zahl derjenigen,
die aus politischen Ursachen das italienische Festland verlassen und
sich in Korsika niedergelassen hatten. Die Voreltern Bonaparts's
hatten an dem in der älteren Geschichte beschriebenen Kampfe der
Welfen und G hi bell inen Ther! genommen, waren von den
obsiegenden Welfen, zu deren Gegnern sie sich gehalten, aus
Florenz vertrieben worden und hatten sich im Anfänge des
fünfzehnten Jahrhunderts in Ajaccio niedergelassen. Hier ver¬
banden sie sich mit berühmten genuesischen und korsikanischen
Familien, erwarben Landeigenthum und erhielten einen großen
Einfluß in dem Districte, wo ihre Besitzungen lagen. — Der
Vater von Napoleon Bonaparte nahm an dem Unabhängigkeits-
kricge unter Paoli, als Anführer seines Distriktes, Theil und
heirathete mitten im Kriegsgetümmel Lätitia Namolini, eine
der schönsten Frauen ihrer Zeit. Sie folgte ihrem Manne
gewöhnlich zu Pferde auf seinen Feldzügen. Zwei Monate nach
dem entscheidenden Siege der Franzosen, am 15. August 1769 ward
Napoleon, als der zweite Sohn der Familie, geboren.*) —
Zehn Jahre hatte der Knabe, bei dem schon früh ein seltener
Verstand, eine Unabhängigkeit des Charakters und eine unge¬
wöhnliche Willensfestigkeit bemerklich war, auf seiner heimath-
lichen Insel gelebt, als ihn sein Vater, der sich inzwischen mit
der französischen Regierung ausgesöhnt hatte, mit sich nach Frank¬
reich nahm, wohin er als Deputirter der korsikanischen Stände
gesendet ward. Hier gelang es ihm, seinem Sohne die Aufnahme
in die Militairschule zu Brienne zu erwirken.
*) Madame Lätitia gebar dreizehn Kinder, von denen fünf Sohne, Jo¬
seph, Napoleon, Luctan, Ludwig, Hieronymus, und drei Töchter,
Maria Anna, gewöhnlich Elisa genannt, Maria Anonciada, nachher
Maria Paulina Borghese, und Charlotte oder Caroline.