Buch VI.
Afrika.
Literarischer Wegweiser. Im Jahre 1817 trat Carl Ritter mit§.63.
dem ersten Versuch einer umfassenden Geographie von Afrika hervor. Es war
dies der Anfang seiner großen allgemeinen vergleichenden Erdkunde. 1822
erschien die zweite bedeutend erweiterte Auflage, in der Afrika nunmehr den
ganzen ersten Band füllte. Wenn nun auch der Inhalt desselben heute als
wesentlich veraltet hingestellt werden muß, — denn man vergegenwärtige sich,
daß damals noch der Niger für einen Binnenfluß gehalten ward, daß man
den Weißen Nil kaum bis Chartum verfolgt hatte, im mächtigen aequatorialen
und südlichen Afrika kaum ein Weißer die innern Terrassen erstiegen hatte —,
so bildet das Ritter'sche Afrika doch einen Markstein in unserer geographischen
Literatur, es war die erste quellenmäßige Bearbeitung des Materials und der
erste Versuch, den Bau des Continents aus zahllosen Einzelbeobachtungen zu
construieren. Das Studium dieses Bandes ist als Vorarbeit noch heute zu
empfehlen. — Seitdem sind sechzig Jahre vergangen, ohne daß jener Versuch
in gleicher Weise erneuert wäre. Der rasche Gang der fortschreitenden Ent-
deckungeu, der kaum einen Ruhepunkt für die mehr theoretischen Betrachtungen
bot, konnte auch wenig dazu einladen. Die Schwierigkeiten der Sammlung
und Sichtung des Materials sind bei keinem Kontinent so groß wie bei Asrika.
Erst allmählich dringen seste Positionsbestimmungen als Basis unserer Karten
ins Innere. Dazu kommt die Unsicherheit der Nomenclatur, hervorgehend
theils aus der geringen Kenntnis der einheimischen Sprachen, theils aus dem
unausgesetzten Wechsel der Völkerbewegungen in Afrika. Reiche und Ortschaften,
die uns ein Reisender beschreibt und localisiert, sind nach wenigen Jahren oft
verschwunden, umgetauft. Aus diesem Grunde fehlt es unserer Literatur selbst an
einem brauchbaren topographischen Handbuch, sei es auch in lexicalischer Form,
welches uns rasch orientierte. Einigen Ersatz bietet Gru m prechts Bearbeitung
von Afrika in Stein-Wappaeus, Handbuch der Geographie und Statistik. Bd. II.
Abtheilung 1, freilich schon 1852 vollendet, und bis 1866 von O. Delitfch
mit umfangreichen Nachträgen versehen. Von v. Klödens Handbuch liegt
die Bearbeitung von Afrika in neuer Auflage noch nicht vor. O. Delitfch hat
den Abschnitt Afrika in Daniels Handbuch wesentlich verbessert und ergänzt,
aber nicht aus einem Guß neu bearbeitet. An der Hand der Entdeckungs-
geschichte muß mau sich daher heute uoch in die Geographie Afrikas ein-
arbeiten. Die 27 Bände der P eterm a u n'fch en Mittheilungen mit ihren
Hunderten von Karten über Asrika bilden hier mit das schätzbarste Material des
Studiums, das gar nicht zu entbehren. Zur ersten Orientierung des Ganges
der Entdeckungen bis in die neuere Zeit leistet treffliche Dienste PH. Pau-
litschke's Werk, Die geographische Erforschung des afrikanischen Continents
von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage. 2. Aufl. Wien 1880. Dem-
selben ist ein ausgedehntes Quellenverzeichnis beigefügt, das freilich den Weizen
von der Spreu, die Originalberichte von vorläufigen Notizen oder populären
Reproductionen mehr hätte trennen müssen. Hier sei auch an H. Kieperts an¬