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selbst wenn der letztere der Sohn des crsteren ist? — Meine 
Herrschaft über die Engländer würde erschüttert, und Maria da¬ 
durch, daß ich sie zu meiner Erbin erklärte, mit einer furchtbaren 
Macht gegen meine eigene Sicherheit bewaffnet werden; besonders, 
da alle mißvergnügten Engländer und alle Katholiken meines Reichs 
yyp. selbst auf der Seite der Königin von Schottland stehen wür¬ 
den rc." — Obgleich beide Regcntinnen über diesen Punkt nicht 
zum Einverständnisse kamen, so schien doch, wenigstens von Au¬ 
ßen, die Eintracht zwischen ihnen hergestcllt zu seyn; sie unter¬ 
hielten fortan einen freundschaftlichen Briefwechsel, worin sie 
gegenseitig mit dem schwesterlichen Namen sehr freigebig 
waren. Daß Beide dennoch sich nicht trauten, lag sichtbar in 
ihrem Betragen vor. Maria's Wunsch, der Thronfolge in Eng¬ 
land gewiß zu werden, ihre Schönheit, um die sie Elisabeth 
beneidete, ihre Anhänglichkeit am Katholicismus und ihre fort¬ 
dauernde Verbindung mit Frankreich, mußten allerdings die Ei¬ 
fersucht und Wachsamkeit ihrer Rivalin rege erhalten. 
Die wichtigste Bcsorgniß jedoch, welche Elisabeth in Betreff 
Mariens unterhalten mußte, war, daß dieselbe sich wieder ver¬ 
mählen und dadurch um so gefährlicher werden würde, je mehr 
sie durch die Unterstützung eines vielleicht mächtigen Gemahls 
ihre Ansprüche auf die englische Thronfolge verstärken konnte; 
wobei sie hauptsächlich bemerkte, wie man von Seiten Frankreichs 
wünsche, daß Maria sich mit einem Prinzen vermählen möge, 
der Englands Macht gewachsen wäre. Elisabeths Politik nahm 
also die Richtung, diese Absicht jedenfalls zu vereiteln und durch 
freundschaftliche Unterhandlungen mit Maria ihr selbst den 
Gemahl zuzuführen, der für sie der mindest gefährliche seyn 
müßte. Ilnter der Hand gab sie ihr daher zu verstehen, daß 
sie ihren Wünschen am meisten entsprechen würde, wenn sie 
einen englischen Edelmann zu heirathen sich entschlösse, 
und daß sie, im Fall Maria dazu geneigt wäre, sie zur Kroner- 
bin von England erklären wolle. Wie wenig cs ihr aber mit 
diesem Anträge Ernst war, und wie sie cs nur darauf absah, die 
ganze Sache hinzuhalten, bewies der Vorschlag, daß Maria den 
Grafen von Leieester heirathen möge. Lcicester, der erklärte 
Liebling Elisabeths, war der schönste Mann des Königreichs 
und vereinigte mit diesen Vorzügen eine Feinheit im Ilmgange 
und eine schmeichelnde Gefälligkeit, wodurch die Königin bezau-
	        
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