208
barte Völker unterjocht. Der Herrscher von Griechenland,
Michael III., war abwesend, da er an den Ufern des schwar¬
zen Meeres andere Feinde bekriegte. Sobald er von dem Erar-
chen oder Statthalter von Constantinopel die Ankunft eines neuen
Feindes erfahren hatte, eilte er nach der Stadt, schlug sich mit
großer Gefahr durch die russischen Schiffe, und da er cs nicht
wagen konnte, sie mit Gewalt zu verjagen, erwartete er bloß
von einem Wunder Errettung. Diese Hoffnung ging, nach der
Erzählung der Byzantinischen Geschichtschreiber, wirklich in Erfül¬
lung. In der berühmten, von einem der früheren griechischen
Kaiser am Ufer des Meerbusens, zwischen dem heutigen Pera
und Constantinopel, erbauten Kirche ward das sogenannte Gewand
der heiligen Jungfrau Maria aufbewahrt, zu welchem
das Volk in großer Roth seine Zuflucht nahm. Der Patriarch,
Photius, trug cs in feierlicher Procession an das Ufer und
tauchte es in das ruhige Meer. Plötzlich fing es an zu stürmen
und zerstreute und zerstörte die Flotte der Feinde, von welchen
nur wenige nach Kiew entkamen. Einige Historiker fügen noch
"'hinzu, daß die heidnischen Russen, erschreckt durch den Zorn des
Himmels, unverzüglich Abgesandte nach Constantinopel geschickt
und getauft zu werden verlangt hatten.
Auf diese Weise waren die Waräger Gründer zweier monar¬
chischen Staaten: Nurik im Norden, Ost'old und Dir im Süden.
Von Nurik's ferneren Thaten schweigt die Geschichte; doch ist nicht
anzunehmcn, daß ein so kriegerischer Fürst den Nest seines Lebens
in Unthätigkeit zugebracht habe. Damals aber hieß thätig
seyn ebenso viel als Kriege führen, und die scandinavifchen
Fürsten, Nurik's Landsleute, schwuren beim Namen des Ewigen,
Eroberer zu seyn, wenn sic die Regierung eines Volkes über¬
nahmen.
Nurik regierte nach dem Tode Sinaw's und Truwor's unum¬
schränkt fünfzehn Jahre lang zu Nowgorod und starb im Jahre 879;
sein ^Andenken, als des ersten Selbstherrschers von Rußland, ist
in der Geschichte unsterblich geworden.
Der Großfürst Jvor, Nurik's Sohn und Nachfolger, war
erst vier Jahre alt, da sein Vater starb. Sein Vetter Oleg
führte daher für ihn als Vormund die Negierung. Dieser Oleg
legte den ersten Grund zu Rußlands Größe. Er zwang viele
benachbarte Völker, Jvor's Oberherrschaft anzucrkennen, riß im