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die man mir darbringen will, und ich hoffe allerdings, daß als¬ 
dann die Diener Gottes und des himmlischen Friedens die ersten 
seyn werden." 
Eben dieser Prinz war von Kindheit an ein besonderer Lieb¬ 
haber von Kunst-Raritäten gewesen. Er hatte ein sehr hübsches 
Cabinet von solchen Sachen; er opferte es aber auf und ver¬ 
kaufte es zum Besten der Armen*)♦ Nur einige kostbare Ju¬ 
welen hatte er zurückbebaltcn. Als aber der Pfarrer von Ver¬ 
sailles einst zu ihm kam und ihm vorstellte, daß die Noth des 
Volkes noch immer fortdaure, führte ihn der Herzog in sein Ca¬ 
binet, übergab ihm seine Edelsteine und sagte: „Herr Pfarrer, 
da wir kein Geld mehr haben und unsere Armen Hungers ster¬ 
ben, so sprich, daß diese Steine Brod werden." 
Vermöge eines Aufsatzes, der nach dem Tode des Herzogs von 
Burgund unter seinen Papieren gefunden wurde, verwendete er 
von 192,000 Livres, die er jährlich für seine Caffette zu beziehen 
hatte, 180,000 bloß für Werke der edelsten Freigebigkeit. — 
Seine Gemahlin, die, obwohl es ihr nicht an Güte des Herzens 
fehlte, etwas mehr Bedürfnisse hatte, als ihr Gemahl, befand 
sich einst in dem Falle, Geld von ihm zu verlangen. Der gute 
Prinz sagte ihr, Alles, was er in seiner Cassette hätte, wäre 
bereits zu gewissen Ausgaben bestimmt; da er ihr aber nichts 
abschlagen könne, so stelle er es in ihre Wiükühr, aus der Liste, 
die ec ihr überreichte, diejenigen auszustreichen, deren Bedürfnisse 
ihr weniger dringend, als die ihrigen scheinen würden. Die Prin¬ 
zessin setzte sich an den Schreibtisch, um Hand an's Werk zu 
legen. Da sie aber nichts als verschämte Arme, Offizicrswitcwen 
ohne Vermögen, Offiziere, die im Dienste verstümmelt worden, 
arme Waisen und dergleichen auf der Liste fand, fiel ihr die Feder 
aus der Hand; nur kam es ihr unbegreiflich vor, wie cs ihr 
*) In dem furchtbar strengen Winter von 1709 nämlich, dessen auch in 
den Kriegszügen Karls XII. schon gedacht ist, der so außerordentlich 
war, daß das Wild in den Wäldern und die Vögel in der Luft erstarr¬ 
ten, und der das Elend der ohnehin erschöpften französischen Nation 
auf's Höchste steigerte.
	        
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