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Mittel der Autorität und überredung viele Aussätzige entweder in kleine
abgesonderte Pflegehäuser ihres Distrikts zu versehen, vder sie auf der
eine Stunde von der Kapstadt gelegenen Robbeninsel zu sammeln, wo sich
ein ausgezeichnet organisiertes Hospital für diese Armen befindet, das ich
selbst wiederholt besucht habe, um die Pflege und Behandlung der Aus—
sätzigen genauer zu studieren. Auf der Insel wird, wie gesagt, das
Spitalsystem in Anwendung gebracht, so daß die Kranken, wenn sie sich
auch in aller möglichen Freiheit auf dem Teil der Insel, der ihnen zu
Gebote steht, umherbewegen können, doch in ihren Wohn⸗ und Schlaf⸗
räumen nach Geschlecht, Alter und dergleichen klassifiziert sind und unter
gesonderter Überwachung stehen. In den letzten Jahrzehnten, wo man
große Fortschritte in der Fürsorge für die Aussätzigen gemacht hat, ist
schon vielfach die Frage erwogen worden, ob es nicht besser sei, diese Un—
glücklichen überall so zu kolonisieren, daß sie in Dörfern familienweise
leben können, natürlich ganz abgesondert von dem Verkehr mit andern
Ortschaften; dies würde die harte Maßregel der Trennung zwischen aus⸗
sätzigen Eheleuten, Geschwistern, Eltern und Kindern unnötig machen,
die natürlich in jedem Spital durchgeführt werden muß, abgesehen von
bestimmten Stunden, in denen sie miteinander verkehren können. Der
berühmte Pater Dam ian, der als ein Vorkämpfer für die bessere
Versorgung der Aussätzigen anzusehen ist und selbst sechzehn Jahre auf
der Insel Molokai unter 1500 dieser Unglücklichen als ihr Freund,
Lehrer und Pfleger lebte, bis er, selbst aussätzig geworden, als Opfer
seiner Nächstenliebe starb — er hat sich stets zu gunsten der freiern
Kolonisation ausgesprochen, weil er der Ansicht war, man dürfe das
Familienleben dieser Armen, in dem sie noch ihr einziges irdisches Glück
finden, nicht zerstören. Dennoch pflegte er, so oft einer der Bewohner
seiner zwei Dorfschaften ihn um Rat fragte, ob er heiraten oder ehelos
bleiben solle, ihm ganz entschieden das letztere anzuempfehlen; bei alle—
dem wurden aber und werden heute noch auf Molokai manche Hochzeiten
gefeiert und Kindtaufen gehalten; auch im übrigen leben die Aussätzigen
in der dortigen Kolonie ganz wie andere Leute: sie treiben allerlei Hand—
werke, bauen ihre Gärten, kaufen und verkaufen, haben Kirchen und
Schulen, wählen ihre Ortsvorsteher und Gemeindeverwalter, nur daß sie
alle dieselbe traurige Krankheit haben. Ein Spital existiert zwar auch
dort, aber nur für die ganz hilflofen Patienten, die keine Familienglieder
bei sich haben und selbst darin aufgenommen zu werden wünschen. Auf
solche Weise behält dies Leben in der Verbannung doch noch gar mannig—
fache Interessen, wodurch der stumpfsinnigen Schwermut, die ohnehin stets
mehr oder weniger das Leiden begleitet, am kräftigsten entgegengewirkt
wird. Es ist allen, die die verschiedenen Systeme beobachtet haben,
gleicherweise aufgefallen, wie viel mutiger und getroster z. B. die Aus—
sätzigen von Molokai in ihrem schweren Unglück erscheinen, als die in
dem großen Spitale der Robbeninsel, obgleich man auch hier mit rühren—
der Liebe und Sorgfalt älles Mögliche tut, um den Zustand der Kranken
zu erleichtern. Es ist auch vorauszusehen, daß wohl früher oder später
noch an manchen Orten die freie Kolonisalion eingeführt wird, nament—