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Erste Periode.
gen ihn politische Gründe hewogen haben, sich dem
Bischöfe gefällig zu erweisen; nie war es ihm aber ein
rechter Ernst gewesen, dem Götzendienste seiner Vater
zu entsagen, wie der Auftritt bei seiner Taufe hin¬
länglich beweiset. Denn schon hatte er den einen Fuß
in den Taufstein gesetzt, als er sich mit der Frage an
den Bischof wandte, wo die mchrsten seiner Vorfahren
sich wohl befanden — ob in Walhalla oder in Hela's
Reiche (im Himmel oder in der Hölle)? Auf die
Antwort Wulfram's, daß seine ungctauften Vorfahren
sicher in den Wohnungen der unseligen Geister hau-
setcn, zog er seinen Fuß aus den; Taufbade zurück
und sprach: so will ich denn auch lieber mit der
Menge meiner Vorfahren bei Wodan bleiben als mit
den wenigen Christen in den Himmel kommen. —
Späterhin, als der fränkische Kaiser, Karl der
Große, dem Christenthum in seinen gesummten
Staaten den weitesten Einfluß auf die Sitten und das
ganze Leben seiner Untertanen zu verschaffen suchte,
machte sich ein schottischer Mönch, Namens Win-
frid, nachher unter dem Namen Bonifacius oder
der Apostel der Deutschen in der christlichen
Kirchengeschichtc bekannt, um die Bekehrung der heid¬
nischen Friesen besonders verdient. Tausende wurden
von ibm getauft und christliche Kirchen und Klöster
erhoben sich auf den Trümmern der vormaligen Gö-
tzentempcl. Auf seinen wobltbatigen Reisen erfuhr er
indes; zuletzt das Schicksal mancher für die Verbreitung
des Lichts und der Wahrheit sich aufopfernder Wohl¬
täter des Menschengeschlechts — er wurde bei Dok-
kum von einer würhenden Schaar noch ungläubiger
Friesen mit 53 seiner Reisegefährten erschlagen. Jedoch
breitere sich von dieser Zeit an (755) das Christen¬
tum in Friesland immer weiter aus, und wenn gleich