Full text: Kleine Geschichte von Ostfriesland für die Schule und das Haus

Kirchl. u. relig. Zustand Frieslands. k\ 
dieser Periode auch in Ostfriesland die Geistlichkeit, 
welche sich, ungeachtet Waffcrfluthen, Kriege und Aus¬ 
wanderungen nach Palästina das Land entvölkert und 
entkräftet hatten, noch immer vermehrte. Jndeß war 
die Gewalt der Geistlichen über das Volk anfangs 
noch sehr geringe. Gezwungen gab der Friese seinen 
Geistlichen, selbst seinem Bischöfe, keinen Kreuzer, 
und wider seinen Willen konnte dieser ihm kein Huhn 
nehmen. Denn eine solche Gewalt stritt wider die 
friesische Freiheit, wie der damals lebende friesische 
Abt Emo selbst gestehen mußte. Die Friesen waren 
zu der Zeit daS einzige Volk in der Christenheit, wels 
che von den Abgaben der Zehnten und Erstlinge an 
den Klerus frei waren. So hob denn der Friese mit¬ 
ten unter dem Schwarm der Geistlichen sein freies 
Haupt kühn und unangetastet empor. 
In kirchlicher Hinsicht war Ostfriesland damals in 
verschiedene Dekanate oder Probsteien cingetheilt, wo¬ 
zu 8, 10/ 20/ 30 und mehrere Parochien gehörten. 
Die Dekane oder Pröbste, welche die geistliche Ge¬ 
richtsbarkeit ausübten und die Oberaufsicht über die 
übrigen Geistlichen und über Kirchen und Klöster hat¬ 
ten, suchten hin und wieder diese Hobe geistliche Wür¬ 
de erblich zu machen und auf ihre Nachkommen fort¬ 
zupflanzen. Die Geistlichen in Ostfriesland waren 
nervlich verhcirathct und ihre Güter fielen nach ihrem 
Tode, der Ordnung in der katholischen Kirche zuwider, 
nicht der Kirche zu, sondern gingen auf ihre Kinder 
über. Dies veranlaßte aber die Geistlichen, sich Er- 
prestungen und selbst Gewaltthätigkeiten gegen das 
Volk zu erlauben, worüber nicht selten große Unruhen 
entstanden. Selbst die Bischöfe von Bremen und 
Münster befehdeten sich oft gegenseitig und suchten 
sich ihre Besitzungen in Ostfriesland streitig zu machen.
	        
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