§. 67. Russischer Krieg. Freiheitskriege. 95
das Obdach; — und hinten und auf allen Seiten die wachen¬
den Kosacken mit ihren langen Piken und das mörderische Feuer
der russischen Kanonen! — Da war's denn wohl kein Wunder,
daß von den fünfhundert tausend stolzen Kriegern nicht viel
über dreißig tausend ihre Brüder und Schwestern und ihre Hei-
math wieder gesehen haben. — So richtete Gott den hochmü-
thigen Kaiser, und als er so auf's höchste gekommen war, ging
es schnell und reißend hinab.
Die geschlagene französtfche Armee rettete sich durch Preu¬
ßen nach Frankreich, und die jubelnden Russen rückten ihnen
auf dem Fuße nach. So wie sie unser Vaterland betraten, ver¬
band sich der König von Preußen mit dem Kaiser Aterander,
und beide vereint erwarteten Napoleons Angriff. Aber welch
ein Kriegseifer, welch eine Luft, das Vaterland zu befreien, ent¬
stand nun in dem ganzen preußischen Volke! Knaben von 13,
ill, bis Männer von 60, 70 Jahren ergriffen freudig die Waf¬
fen, und Frauen und Jungfrauen strickten und näheten für die
Krieger. Wenn solch ein Eifer sichtbar wird, der ist auch von
Gott gewirkt. — Und doch ging's den Verbündeten anfangs
nicht gut. Es ist unbegreiflich, aber wahr: die Franzosen hat¬
ten Napoleon willig und gern ihre noch übrig gebliebenen Söhne
und Brüder zu neuen Opfern hergegeben, und mit diesen drang
derselbe racheschnanbend in Deutschland ein, und besiegte, ob¬
wohl mit Mühe, das noch ungeübte preußisch-russische Heer
zwei mal: bei Lützen und bei Bautzen (1813). Da schlossen
die Verbündeten einen zehnwöchentlichen Waffenstillstand mit den
Franzosen, und brachten während dieser Ruhezeit Napoleons
eigenen Schwiegervater, Franz II. vo^r Oestreich und den Kron¬
prinzen von Schweden, Bernadotte, einen seiner früheren
Generäle auf ihre Seite. Die Franzosen hatten nun mit drei
feindlichen Heeren zu kämpfen, und wurden zuerst in Norden
von dem General Bülow bei Groß-Beeren und dann in Osten
von dem General Blücher an der Katzbach besiegt. Zwar
drängte Napoleon das Hanptheer der Verbündeten nach einem
Siege bei Dresden nach Böhmen zurück, aber gleich darnach
wurde sein General Vandamme bei Culm gefangen und eine
andere französische Armee bei Dennewitz besiegt. Endlich tut
Oktober 1813 drängten sich alle verbündeten Heere bei Leipzig
um die große französische Armee her, und fceit 16., iS. und 19.
Oktober wurde diese von jenen auf allen Punkten besiegt, und
eilte in verworrener Flucht über den Rhein nach Frankreich zu¬
rück. Die Verbündeten marschirten ihr nach, auch über den
Rhein, in Frankreich hinein. Und siehe da! schon wieder hatte
Napoleon, der wunderbare Mann, ein neues, kräftiges Fran¬
zosenheer auf den Beinen, und trat seinen Verfolgern mit mach-