Full text: Deutsche Gedichte für den Geschichtsunterricht

<- 
1. Hermann und Thusnelda. 
1. Ha, dort kömmt er, mit Schweiß , mit Römerblut, 
Mit dem Staube der Schlacht bedeckt! So schön war 
Hermann niemals! So hat's ihm 
Nie von dem Auge geflammt! 
2. Komm'! ich bebe vor Lust! reich mir den Adler 
Und das triefende Schwert! Komm, athm' und ruh' hier 
Aus in meiner Umarmung 
Von der zu schrecklichen Schlacht! 
3. Ruh' hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne 
Und der Wange das Blut! Wie glüht die Wange! 
Hermann! Hermann! So hat Dich 
Niemals Thusnelda geliebt! 
4. Selbst nicht, da du zuerst im Eichenschatten 
Mit dem bräunlichen Arm mich wilder faßtest! 
Fliehend blieb ich und sah' dir 
Schon die Unsterblichkeit an, 
5. Die nun dein ist! Erzählt's in allen Hainen, 
Daß Augustus nun bang mit seinen Göttern 
Nektar *) trinket! Daß Hermann, 
Hermann unsterblicher ist. 
ü. Warum lockst du mein Haar? Liegt nicht der stumme 
Todte Vater vor uns? O hätt' Augustus 
Seine Heere geführt, er 
Läge noch blutiger da! 
7. Laß dein finkendes Haar mich, Hermann, heben, 
Daß es über dem Kranz in Locken drohe! 
Siegmar 2) ist bei den Göttern! 
Folg' du, und wein' ihm nicht nach! 
Fr. G. Klopstock (geb. 1724. gest. l«03). 
1) N ektar: das köstliche Getränk der Götter nach der altgriechischen Fabellehre. 
2) Siegmar, Hermanns Vater. 
Außer dieser Ode hat Klopstock die Hauptereignisse aus dem Leben Hermanns in seinen varerländi- 
jchen Dra>nen behandelt und zwar in der „Hermannsschlacht, ein Bardiet für die Schau- 
buhne" seinen Sieg über Varus; in „Hermann und die Fürsten. Bardiet" die Eifersucht der 
Fürsten gegen ihn; und in „Hermanns Tod. ein Bardiet" sein Ende. Sie sind in Prosa ge- 
ichneben mit unterinischten Chorgesängen der „Barden", aus letzterem Grunde von Klopstock „Bar- 
dieten" genannt. Den Germanen war der Name Barde völlig unbekannt, obgleich man irrthümlicher 
Wepe bis auf die letzten Jahrzehnte herab und in der höheren poetischen Sprache noch heut von Barden 
der alten Deutschen spricht. Klopstock benannte vorzugsweis ein religiöses und kriegerisches Lied, ge¬ 
dichtet in dem fingirten Charakter eines Bardengesanges, oder einen Sckilachtgesang in dem wildkräftigen 
.Tone der germanischen Urzeit ein Bardiet oder Bardit, und zwar mit Rücksicht auf eine einzige 
^ec >>Germania“ des Tacitus, wo einige Handschriften unrichtig für barituri (d. i. das Erheben 
des Schlachtgeschreies) barstitns lesen, welchem Worte man die Bedeutung von Schlachtgesaug fälschlich 
beilegte. 
Barden (irisch bard) nannten sich die schon seit dem 2. Jahrh. v. Chr. den Römern bekannten 
Sauger der Gallier und anderer celtischer Völker. Eine dem Ausdruck „Barden" verwandte Bezeichnung 
tsi der Name Troubadour. Die Troubadours waren die Minne- und Meistersänger der Provence 
im Mittelalter. 
Es. Förster, deutsche Gedichte. 
r 
1
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.