Full text: Deutsche Gedichte für den Geschichtsunterricht

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21. Kreuzgesang. 
1. Das Grab steht unter wilden Heiden, j 6. Ein Feuereifer tobt im Heere, 
Das Grab, worin der Heiland^ lag, 
Blich Frevel und Verspottung leiden 
Und wird entheiligt jeden Tag. 
Es klagt heraus mit dumpfer Stimme: 
Mer rettet mich von diesem Grimme! 
2. Wo bleiben seine Heldeniünger? 
Verschwunden ist die Christenheit! 
Wer ist des Glaubens Wiederbringen? 
Wer nimmt das Kreuz in dieser Zeit? 
Wer bricht die schimpflichsten derKetten, 
Und wird das heil'ge Grab erretten? 
3. Gewaltig geht auf Land und Meeren 
Zn tiefer Nacht ein heil'ger Sturm; 
Die träqen Schläfer aufzustören, 
Umbraust er Lager, Stadt und Thurm; 
Ein Klaggeschrei von allen Zinnen: 
Auf, träge Christen, zieht von hinnen ! 
4. Es lasten Enget aller Orten 
Mit ernstem Antlitz stumm sich seh'n, 
Und Pilger siebt man vor den Pforten 
Mit kummervollen Wangen stehen; 
Sie klagen in den bängsten Tönen 
Die Grausamkeit der Sarazenen. 
5. Es bricht ein Morgen, roth und trübe, 
Im weiten Land der Christen an. 
Der Schmerz der Wehmuth und der 
Liebe 
Verkündet sich bei Jedermann. 
Ein jedes greift zum Kreuz und 
Schwerte 
Und zieht entflammt von seinem Herde. 
Das Grab des Heilands zu befrei'n. 
Sie eilen fröhlich nach dem Meere, 
Um bald auf heil'gem Grund zu sein. 
Auch Kinder kommen noch gelaufen 
Uiib mehren den geweihten Hstufen. *) 
7. Hoch weht das Kreuz im Siegspaniere, 
Und alte Helden steh'n voran. 
Des Paradieses sel'ge Thüre 
Wird frommen Kriegern aufgethan; 
Ein jeder will das Glück genießen 
Sein Blut für Christus zu vergießen. 
8. Zum Kampf, ihr Christen! Gottes 
Schaaren 
Ziehn mit in das gelobte Land. 
Bald wird der Heiden Grimm erfahren 
Des Christengottes Schreckenshand. 
Wir waschen bald in frohem Muthe 
Das heil'ge Grab mit Heidenblute. 
9. Die heil'ge Jungfrau schwebt, getragen 
Von Engeln, ob der wilden Schlacht, 
Wo jeder, den das Schwert geschlagen, 
In ihrem Mutterarm erwacht. 
Sie neigt sich mit verklärter Wange 
Herunter zu dem Wastenklange. 
10. Hinüber zu der heil'gen Stätte! 
Des Grabes dumpfe Stimme tönt! 
Bald wird mit Sieg und mit Gebete 
Die Schuld der Christenheit versöhnt! 
Das Reich der Heiden wird sich 
~ enden, 
Ist erst das Grab in unsern Händen. 
Novalis sgeb. >772 gest. 1801). 
') Diese Andeutung bezieht sich auf den Kindertreuzzug (1212 u. 1213; vgl. das nachstehende Gedicht). 
22. Der Kinder Kreuzzug. 
1. Ein fremder Knabe wandelt singend 
Von Land zu Land, 
Um aller Kinderherzen schlingend 
Ein Zauberband. 
2. Nach Thüringens so schönen Gauen 
Den Weg er nahm, 
Doch Keines weiß, so viel ihn schauen, 
Woher er kam. 
3. Wohin er kommt, ruft er die Knaben 
Zu sich heran, 
Und hebt mit wunderbaren Gaben 
Zu singen an. 
4. Bald ist's, als wallten Engelstimmen 
Sanft ecdenwärts, 
Bald scheint sein Sieb emporzuschwim- 
An Gottes Herz. [men 
5. Bald scheintzu jubeln, scheintzuklagen 
Sein leiser Sang, 
8. 
9. 
Bald himmelan den Flug zu wagen 
Im heißen Drang. 
Er singt von Ost, von Morgenröthe, 
Vom Jakobsstern, 
Von Mördern, die den Heiland tödten, 
Vom Kreuz des Herrn. 
„Das Kreuz, zu dem die Frommen wal- 
Jm heil'gen Land", [len, 
So tönt sein Sang, „es äst gefallen 
In Heiden Hand, 
Und legten sie das Kreuz in Ketten, 
So löst das Blut. 
Wer zieht mit mir,das Kreuz zu retten, 
Voll Siegesmuth? 
Will's nicht Kn Mächtigen geli- -¡er. 
Das theure Pfand 
Den blinden Heiden abzuringen 
Thu's unsre Hand!
	        
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