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10. Kn Herr ist mit den Schwachen mächtig'
Wer zieht mit mir?
Zum heil'gen Zuge führt uns prächtig
Dies Kreüzpanier!"
11. Er ruft's, und eine Oriflamme *)
Entrollt er schnell,
Darauf ein Bild vom Kriegesstamme
Sich zeiget hell.
12. Und wie sein Lied den Muth beschwö-
So laut erschallt, srend,
Ergreift's der Knaben Sinn bethörend
Mit Allgewalt.
13. Sie folgen fauchzend seinem Zuge
Ganz Äug' und Ohr.
Die Fahne wandelt stolz im Fluge
Dem Heere vor.
14. Es schwoll der Schwarm, wie Meeres-
Am Uferrand, swogen
Viel Tausende sind fortgezogen
Vom Heimathland.
15. Ob auch die Mütter fammern, weinen
Und flehen bang,
Nicht Mutterliebe hemmt die Kleinen
Auf ihrem Gang.
16. Und will sie Vaterzürnen halten,
So redet Trutz:
„Wir folgen höheren Gewalten,
In Gottes Schutz!"
17. Sie ziehen fort und singen Lieder;
Die Heimathaun,
Die schönen, soll kein Auge wieder
Von ihnen schaun.
18. Und keine Kunde war vernommen
Von ihrem Zug;
Und Keiner ist zurückgekommen,
Der Botschaft trug.
19. Und Niemand weiß, wie der geheißen,
Der wunderbar
Entführt den heimathlichen Kreisen
Die Kinderschaar.
20. Die Mütter stehn mit lauten Klagen,
Die Väter stumm.
Warum geschah s, wer kann's uns
Warum? Warum? ssagen?
L. Bechstein (geb. 1801. gcst.i8L9).
*) Drifiammt, die Hauptfahne Frankreichs, von rotber Seide mit vergoldeter Stange, zuerst die
des Klosters 8t. vsiii». Flamme genannt, weil sie flammig ausgezackt war.
Der verunglückte vierte Kreuzzug machte der Begeisterung für die Sache der Wiedcrerwerbung des
heiligen Grabes und Landes lein Ende, vielmehr ging diese noch so weit, daß in den Jahren 1212 und
1213 sich selbst Kinder auimackten, um die heiligen Siätten den Händen der Ungläubigen zu entreißen.
Einmal waren es ihrer 7000 und ein anderes Mai sogar an 20,000; sie gingen aber unterwegs auf das
Traurigste zu Grunde und wurden vielfach durch schändliche Derrälher in die Sclaverei vertaufi.
23. Schwäbische Kunde.
Als Kaiser Rothbart lobesam
Zum heil'gen Laub gezogen kam,
Da mußt er mit dem frommen Heer
Durch ein Gebirge, wüst und leer.
Daselbst erhub sich große Noth,
Viel Steine gab's und wenig Brot,
Und mancher'deutsche Reitersmann
at dort den Trunk sich abgethan.
.~eu Pferden war's so schwach im Magen,
Fast mußt' der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Bon hohem Wuchs und starker Hand,
Deß Rößlein war so krank und schwach,
Er zog es nur am Zaume nach,
Er hätt' es nimmer aufgegeben,
Und kostet's ihm das eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück.
Da sprengten plötzlich in die Quer
Fünfzig türkische Reiter daher,
Die huben an auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und thät nur spöttlich um sich blicken,
Bis Einer, dem die Zeit zu laug,
Auf ihn den krummen Säbel scbwana.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
Er trifft des Türken Pferd so gut,
Er haut ihn: ab mit einem Streich
Die beiden Vorderfüß' zugleich.
Als er das Thier zu Fall gebracht,
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut durch bis auf den Sattelkuopf,
Haut auch den Sattel noch in Stücken
Und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man, wie zur Linken,
Einen halben Türken herunter sinken.
Da packt die Andern kalter Graus,
Sie fliehen in alle Welt hinaus.
Und Jedem ist's, als würd'ihm mieten
Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Drauf kam des Weg s 'ne Chcistenschaar,
Die auch zurückgeblieben war,
Die sahen nun mit gutem Bedacht
Was Arbeit unser Held gemacht.
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