Full text: Geschichte der Reformation

04 Noch verschiedene Ursachen und Folgen 
che er an Lazarus Grabe geweint habe, Ueberreste von der 
Mutter Jesu und andern merkwürdigen Personen, bis end¬ 
lich der Papst auch den Ueberbleibseln der von ihm für heilig 
erklärten (canonisirten) Personen einen gleichen Werth bei¬ 
legte^). 
Wer will cs an sich tadeln, wenn dankbare Gemeinen 
das Andenken an einen verdienten Lehrer und Wohlthater 
auch durch ein, es versteht sich, würdiges, geschmackvolles 
Bild zu ehren suchten? wiewohl die ersten Christen aus Be- 
sorgniß wegen Abgötterei nicht dafür waren, doch duldete 
man diese Bilder in manchen Gemeinen. Aber gar bald fiel 
man vor ihnen nieder, verrichtete vor ihnen Gebete, hielt sie 
fast für die Personen selbst und empfahl sich ihrer Fürbitte 
bei Gott. Man wendete sich überhaupt jetzt sehr an die Hei¬ 
ligen und besonders an die Mutter Jesu, freilich erst nur als 
an eine Fürsprecherin, aber bald erwähnte mau nur sie, und 
weit seltner Gott und Jesum. Es wurden eine Menge Fest¬ 
tage zur Verehrung der Apostel und anderer Lehrer des Chri- 
sienthums und der Heiligen eingeführt, welche häufig zum 
Müßiggänge und zur Schwelgerei gemißbraucht wurden, die 
man mit Recht jetzt im katholischen Deutschland vermindert 
hat; für die etwa übergangenen Heiligen kam ein Fest 
Allerheiligen auf. Ueber die Verehrung jener Bilder der 
Heiligen entstand eine der heftigsten und verderblichsten Strei¬ 
tigkeiten. In den morgenländischen Kirchen verbot der Kaiser 
womit man über Jesu Kleider geloset, Hemden (wie sic die Juden gar 
nicht trugen) gefunden haben, rothe Pantoffeln, in welcher Maria zu 
der Elisabeth gegangen seyn sollte. Man stritt sich über die Aechtheit 
derselben, und Spötter versicherten, daß sie manche Reliquie schon an 
zwanzig Orten hatten küssen müssen. 
*) Diese Canonisation kam 1170 auf. Eine solche Person muß 
Wunder gethan und sich im päpstlichen Sinne um die Kirche sehr ver¬ 
dient gemacht haben; es tritt bei der Feierlichkeit ein Advocat des Sa¬ 
tans auf, der den Heiligen gern durch allerhand Anklagen um die zuge¬ 
dachte Ehre bringen möchte, aber gewöhnlich den Prozeß verliert. Noch 
1825 wurde der heilige Julian, ein Franziskaner seclig gesprochen; 
unter seinem Bilde stand, er habe Vögel am Bratspieße wieder leben¬ 
dig gemacht!!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.