Full text: Geschichte der Reformation

der päpstlichen Herrschaft. 
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so glaubte man um desto mehr an seine wundcrthatige Kraft. 
Da sollte es in Schlachten schützen und den Sieg verleihen, 
gesund machen und das gefundene Stück könnte man theilen, 
ohne daß cs kleiner würde. Die Menge solcher Stückchen 
und der Nagel von dem Kreuze war daher unermeßlich. 
Wer unter uns je die heilige Statte betreten könnte, 
wo der Welterlöscr lebte und starb, würde gewiß in Vcth- 
lehein, Nazareth, Jerusalem, an dem Oelberge sich tief 
gerührt fühlen, und wer konnte cs den ersten nähern Chri¬ 
sten verdenken, wenn sie gern dahin wallfartheteu? Aber 
bald hielt man solche Wallfarthen für besonders verdienstlich, 
hoffte dadurch Verzeihung bei Verbrechen zu erhalten und 
damit alles Böse gut zu machen. 
Der gefühlvolle Mensch verweilt gern von Zeit zu Zeit 
an den Gräbern seiner vorangegangenen Lieben oder anderer 
Edlen, gedenkt ihrer mit Dankbarkeit, Liebe und heiligen 
Vorsätzen. So war es denn auch natürlich, daß das Grab 
eines hochverdienten Apostels, oder eines andern treuen Leh¬ 
rers und Zeugen der Wahrheit, der sein Leben nicht geliebt 
hatte bis an den Tod um des Namens Jesu willen, dankbar 
besucht wurde. Aber nach dem Jahr 5oo suchte man nun 
sogar die Ueberbleibsel oder Reliquien der Körper und Gebeine 
dieser Christen aus, sammelte, küßte und verehrte sie, vcr- 
sprach sich Wunder von ihnen, Schutz in Gefahren, wie man¬ 
che Völker des Morgenlandes von den Amuletcn, (Körper 
von Stein oder Holz mit gewissen Figuren), die sie an sich 
trugen; und Betrüger verkauften nun gar mancherlei Kno¬ 
chen, Nagel und Haare als waren sie von den Heiligen. Be¬ 
sondersbrachte man ganze Kisten solcher Reliquien aus Asien, 
das Schweißtuch, worin Jesus gelegen *), eine Thräne, wel¬ 
*) @.o Hat man ttt Aachen noch angcblích das weítze Kleíd der 
María, als sie ín Bethlehem entbunden wurde; díe heílígcn Wíndelir; 
ein Línnentuch mit dem Blute des heílígen Iohannes, und ein andres 
mit dem Blute Iesu befleckt. Man zeigt diese Reliqm'en alle sieben Jahre, 
und noch wandern alsdann ríele Tausende andacktíg liín, mn fíe zu be- 
schauen. So wollte man díe steíuern Krüge haden von der Hochzeít 
zu Cana, Stroh und Heu aus dem Stalle zu Bethlehem, díe Würfel,
	        
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