767
sieht, es sind sehr verschiedenartige Dinge gemischt, auswärtige Politik
und Gesetzgebung, aber auch höchste Strafgerichtsbarkeit und Kontrole
der Regierung, aber sie sind alle ausgezeichnet durch ihre große politische
Bedeutung für das ganze Staatswesen und für die Sicherheit der
Bürger. Aristoteles nennt das, nicht wie wir heute, Gesetzgebung, 5
sondern „Berathung", vielleicht weil die eigentliche Gesetzgebung erst
später von den Volksversammlungen geübt, und selbst da nur mittelbar
geübt wurde, dagegen die vorherige Berathung in der Volksversamm-'
lung auf die wichtigsten Dinge maßgebend wirkte. — Die zweite Gattung
von Funktionen entspricht einigermaßen dem, was die heutigen Ver-10
fassungen „vollziehende Gewalt" nennen, ist aber richtiger durch die
Hinweisung auf die obrigkeitlichen Aemter bezeichnet. — Die dritte Klasse
entspricht unsrer Gerichtsgewalt.
Aber während so objektiv die verschiedenen Funktionen aus einander
gehalten werden, so sind sie noch subjektiv oft verbunden. Wir haben 15
schon bemerkt, daß die athenische Ekklesie zugleich über Gesetze beräth,
wichtige Regierungshandlungen vollzieht und indem sie über die höchsten
Strafen entscheidet, auch richterliche Funktionen ausübt. Die Archonten
übten die Verwaltung aus und leiteten zugleich die Gerichte.
Ter römische Staat ist reicher an ausgebildeten und mit einem be- 20
deutenden Machikreise ausgerüsteten Srganen. In ihm ist auch die auf
die Gesetzgebung bezügliche Thätigkeit der Komitien bereits schärfer ge¬
sondert von den Funktionen des Senats und der Magistrale. Indessen
auch die Komitien verhandeln über wichtige auswärtige Staatsfragen,
in älterer Zeit außerdem über Berufung gegen Todesurtheile. Der 25
Senat aber übt nicht bloß Regierungs- und Verwaltungsakte aus,
sondern erläßt in seinen Beschlüßen auch allgemeine Rechtsvorschriften,
ähnlich den Gesetzen. Die Magistrate endlich verbinden ganz regelmäßig
regierende und richterliche Befugnisse. Wer das Imperium hat, der hat
auch für den Umfang desselben die jurisdictio. Zudem hat er Priester-30
liche Funktionen (die Auspizien). Und endlich übt er durch seine Edikte
Befugnisse aus, welche in solcher Ausdehnung als gesetzgeberische be¬
zeichnet werden müssen. Immerhin zeigt sich aber in dem alten Staats¬
recht der Republik das bewußte Streben, für bestimmte Zweige der
öffentlichen Thätigkeit auch besondere Aemter zu bilden. 35
In dem spätern römischen Kaiserreiche kam zuerst eine neue persön¬
liche Ausscheidung auf. Die byzantinischen Kaiser freilich behielten alle
staatliche Gewalt über das ganze Reich in ihrer Hand vereinigt; aber
in den untergeordneten Stufen der Provinzialregierung und Beamtungen
wurden die Eivilstellen von den Militärstellen sorgfältig getrennt. Diese 40
Trennung, welche früherhin die Rücksicht auf die Unterthanen, auf
welchen das Uebermaß der in den Magistraturen vereinigten Befugnisse
schwer gelegen, nicht bewirkt hatte, ward nun um der Sicherheit des
Thrones willen durchgeführt. In der That lag hierin ein Fortschritt
der staatlichen Kultur und der bürgerlichen Freiheit, welcher auch in 45
dem modernen Staate Anerkennung fand.
Im Mittelalter traf die Aeußerung der Staatsgewalt auf allen
Seiten auf Schranken, die ihr entgegen standen. Aber innerlich waren
in ihr die verschiedensten Befugnisse geeinigt. Nicht allein der König,
auch jeder Graf hatte zugleich Civil- und Militärgewalt, administratives
und richterliche Befugnisse, und auf den Dingen (Geri'chtsversawmlungen)
wurde zugleich der allgemeine Rechtssatz als Gesetz gewiesen und der
einzelne Streitfall beurtheilt.
Zuerst hat der Franzose Bodin das Verlangen näher begründet,