Full text: Lehrbuch der Geschichte des preußischen Staates für Schulen und den Selbstunterricht

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Semigen darbt und kümmert, — da freilich ist von 
Blüthe des Handels und der Gewerbe im Staat auch 
keine Rede mehr. So aber war es nicht; — ob es 
gut sey, daß die Gegenwart uns dergleichen zeigt, 
das möge die Jugend Preußens wohl erwägen. — 
Als ein großer Vorschritt zur Stiftung und 
Ausbildung eines tüchtigen Staatsgebaudes muß des 
Kurfürsten Sorgfalt für die Rechtspflege betrachtet 
werden > Durch die oben erwähnte Stiftung des 
Konsistoriums hob er die Scheidewand zwischen geist¬ 
lichem und weltlichem Nichteramt auf, wies; jede Ein¬ 
mischung des Papstes in die Angelegenheiten der Pro¬ 
testanten für sein Land zurück, und trat in das ihm 
gebührende Verhaltniß als oberster -Richter seiner Un- 
terthanen. Durch des römischen Rechtes Einführung 
wurde mehr Einheit in die Rechtspflege gebracht, das 
sehr gemischte und dadurch mangelhaft gewordene alt- 
sachsische Gerichtswesen aus einzelnen Landschaften 
verbannt, oder doch nur als herkömmliches Hilfs- 
recht in denselben geduldet; die Lehnämter der adli- 
chen Landcshauptlenre wurden aufgehoben und die 
Stellen als Vorsitzer und Beisitzer der Gerichte nur 
Rechtsgelehrten anvertraut. Das Kammergericht er¬ 
hielt eine Vervollständigung und neue Bestätigung. 
Strenge, doch nothwendig für die rohen Sitten 
und deren Folgen: Ucbermuth und Gewaltthätigkeit, 
die damals an der Tagesordnung waren, erscheinen 
: des Kurfürsten Polizeigesetze; als Erimi'nalgesetz galt 
. Kaiser Karls V. peinliche Halsgerichtsordnung, die, 
> grade in ihren Mangeln und Harten, das Gepräge 
! der Zeit trägt, in der sie entstand und für die sie 
’ verfaßt ward. Kein Billiger wird in ihrer wie in des 
; römischen Rechtes Einführung etwas Anders finden, 
, als eine nothwendig strenge Zucht, durch welche des 
! Mittelalters eigenwilliger Trotz zum Segen der wachsen- 
i den Gesittung gebändigt werden mußte. Ueberhaupt 
l soll man, bei der Beurtbeilung von Staats-Insti- 
l tutionen, niemals den Charakter des Volkes über- 
\ sehen, dem, noch den Geist der Zeit, in der sie ge- 
> geben wurden. Hatten Geschichtschreiber und Staats- 
l künstler dieß immer beobachtet, so würden wir nicht 
, erlebt haben, daß von einigen derselben zum Heil der 
1610
	        
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