Full text: Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Landes

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Calixtinern Verrath vorwarfen; die Prager Städte von verschiedener Partei be¬ 
schossen sich sogar unter einander, und Mainhard von Neuhaus, die Seele der 
gemäßigten Partei, mußte die Neustadt im Mai 1434 erstürmen, wobei 15 bis 
20,000 Todte geblieben sein sollen. Dann kam cs am 30. Mai 1433 bei Böhmisch- 
brod zu einer blutigen Schlacht, wo die Kelchner siegten, und beide Prokope fielen. 
Mehrere tausend Gefangene wurden in Scheunen verbrannt. Allmählich unter¬ 
warfen sich nun die Uebrigen. — Ajax fiel durch Ajar Kraft! — Was die Rcfor- 
mationssache betraf, wozu Sigmund einen noch vorhandenen Entwurf hatte bear¬ 
beiten lassen, so wurden seit der Anerkennung des Concils durch Eugen Beschlüsse 
zur Abschaffung der Concubinen, des Narrcnfestes, der Schmausereien und Jahr¬ 
märkte in den Kirchen gefaßt; man sprach dem Papste die Annaten und Pallien- 
gclder ab und wollte ihn blos auf die Einkünfte des Kirchenstaates verweisen; 
darüber aber kam es zum heftigsten Streite und wegen der angeblichen Verei¬ 
nigung der griechischen mit der römischen Kirche, 18. Sept. 1437, zur Verlegung 
der Versammlung »ach Italien. 
Kaiser Sigmund bestätigte auch als solcher die Compactatcn und nahm, außer 
den vier Prager Artikeln, auch vierzehn ihm vorgelcgte Bedingungen, unter denen 
man ihn als Erbkönig anerkennen wollte, mit fast bedenklicher Eile und Bereit¬ 
willigkeit 6. Juli 1435 an, beschwor mit seinem Schwiegersohn und Erben Albrecht 
von Oesterreich die Eompactaten, bestätigte Rokpczana als neuen Erzbischof von 
Prag und zog im August 1436 in die Hauptstadt ein. Der Bann wurde nun 
zurückgenommen. Da hätte man mit weiser Mäßigung vor 15 Jahren auch sein 
können und mehr als eine Million Menschenleben erspart! Bald aber fing er an, 
als brauche er den Huffiten kein Wort zu halten, die eingegaugcnen Verpflich¬ 
tungen zu verletzen, und wäre wahrscheinlich noch einmal durch Aufstand um 
seinen Thron gekommen, hätte er nicht bei Zeiten eigelcnkt. Ja, es drohte ihm die 
Gefahr, die Nachfolge in allen seinen Ländern seinem Schwiegersohn (dem er 
schon 1425 sehr unrcchtlich nach Absterben der niederbaierischen Fürstenlinie das 
ganze den übrigen Wittclsbachern gebührende Land als eröffnetes Rcichslehen oder als 
dem Sckwerstersohn des letzten Herzogs Johann sst 1425] gehörig auf dem Wege des 
Erbes hatte zuwcnden wollen) durch seine buhlerische zweite Gemahlin Barbara 
von Cilly vermittelst einer Verschwörung entrissen zu sehen. Barbara (der er 
freilich im Puñete ehelicher Treue mit bösem Beispiel vorging und sich dabei 
vielleicht auf die Devise seines Hosenbandordens verließ: Honny soit qui mal y 
pense!) wollte mit Hülfe der mißvergnügten Hussiten die Reiche für sich behalten 
und ihre 54jährige Hand dem 14jährigen König Wladislaw anbictcn. Aber Sig¬ 
mund entdeckte die Verschwörung, ließ sie, an die er als gekrönte Königin von 
Böhmen nicht wohl in Böhmen Hand anlegen durfte, zu Znaym verhaften und 
seinen Schwiegersohn mit Hülfe des berühmten Kaspar von Schlick in Prag als 
Nachfolger anerkennen (Nov. 1437). Es war höchste Zeit gewesen; kaum hatte 
er sein Testament gemacht, so starb er 9. Decbr. 1437, 67 Jahre alt. — Gewiß, 
hätte sein Inneres seinem schönen Aeußern geglichen, dieser letzte Luxemburger 
wäre der merkwürdigste der ganzen Dynastie gewesen. Im Umgänge war er leut¬ 
selig, und man rechnete es ihm zum Lobe, daß er seine Uingebungen, selbst Fürsten, 
nicht Du, sondern Er anredete. Aber sein Leibspruch soll gewesen sein: Ver¬ 
stellung ist die erste Regierungskunst. Er nahm die große Lehre mit ins Grab, 
daß äußere Gewalt der Macht des Geistes nicht gewachsen ist. Fortschritte in der 
Geistcrwclt lassen sich wohl zweckmäßig leiten, nicht aber unterdrücken. In eine 
ohnehin unruhige Zeit aber brachte er dadurch und durch seinen Wankelmuth und 
seine Zerstreuungen nur noch mehr Gähruug, und sein Stallmeister hatte Recht,
	        
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