Tod des Germanicus.
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wegen des Charakters der Einwohner und der Lage des Landes, in¬
dem cs weit an unfern Provinzen hinlaufend sich tief nach Medien
hin erstreckt.
Unter den Consuln Marcus Silanus und Lucius Norbanus reifete
Germanicus nach Aegypten zur Erforschung des Alterthums, schützte
aber Geschäfte in der Provinz vor. Er milderte durch Ausschließung
der Kornspeicher den Getreidepreis und richtete sich in Vielem nach
dem Volkswillen; ohne Wache ging er umher, ohne Fußbekleidung,
im Anzüge den Griechen ähnlich, nach dem Vorgänge des Publius
Scipio, der, wie man weiß, dasselbe in Sicilien that, obgleich der
Krieg mit den Ponern noch wüthete.
Germanicus fand bei seiner Rückkehr aus Aegypten Alles, was er
für die Legionen und Städte angeordnet hatte, abgeschafft oder im
Gegensinn ausgeführt. Daher heftige Ausfälle gegen Piso, und eben
so bittere Vorkehrungen von Diesem gegen den Cäsar. Hierauf be¬
schloß Piso, Syrien zu verlassen, ward aber alsobald durch Krankheit
des Germanicus zurückgehalten; als er dessen Genesung vernahm, und
Gelübde für seine Herstellung gelös't wurden, treibt er durch Victoren
die herbeigeführten Opferthiere, die priefterlichen Aufzüge und das fest¬
lich geschmückte Volk Antiochiens aus einander. Daun begiebt er sich
nach Seleucia, die Krankheit abwartend, die neuerdings Germanicus
befallen hatte. Die unbändige Heftigkeit des Uebels verstärkte der
Glaube an beigebrachtes Gift von Piso. Auch fand man im Boden
und in den Wänden des von Germanicus bewohnten Hauses aus¬
gegrabene Ueberreste menschlicher Leichname, Beschwörungsformeln, Ver¬
wünschungen und Germanicus Namen auf bleiernen Tafeln einge¬
graben, ferner halb verbranntes und blutbeflecktes Gebein und andere
Zaubermittel, wodurch man Seelen den unterirdischen Mächten zu
weihen wähnt. Zugleich wurden Abgeordnete des Piso beschuldigt, als
lauerten sie auf Verschlimmerung der Krankheit.
Germanicus vernahm Solches nicht weniger mit Grimm, als mit
Besorgniß. „Wenn man seine Schwelle belagere, wenn er unter
Feindesaugen den Geist aufgeben müsse, wie werde es erst seiner im*
glücklichen Gattin, wie seinen unmündigen Kindern ergehen? Gift
sei Jenem zu langsam; das sei ein Eilen und Drängen, um die Pro¬
vinz, um die Legionen allein zu haben. Aber noch sei Germanicus
nicht so ganz entkräftet, und der Lohn des Mordes werde dem Mör¬
der nicht bleiben. Er setzte nun ein Schreiben auf, worin er ihm die
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