Full text: Alte Geschichte (Theil 1)

274 
Rom. 
Freundschaft aufkündete. Die Meisten fügen hinzu, er habe ihm be¬ 
fohlen, die Provinz zu verlassen. Auch lichtete Piso ohne ferneres 
Weilen die Anker, verzögerte jedoch den Lauf, um aus der Nähe zu¬ 
rückzukehren, wenn des Germanicns Tod ihm Syrien geöffnet haben 
würde. — 
Der Fürst schöpfte einige Hoffnung, dann ermattete er, und als 
sein Ende herannahete, redete er die umstehenden Freunde folgender¬ 
maßen an: „Wenn ich dem Schicksal erläge, so wäre mein Schmerz 
selbst gegen die Götter gerecht, daß sie mich den Eltern, den Kindern, 
dem Vaterland im Jugendalter durch frühzeitigen Tod entreißen. Nun 
aber durch Piso's und Plancina's Frevel hingerafft, lege ich die letzten 
Bitten in Eure Brust nieder. Meldet dem Vater und Binder, durch 
welche Kränkungen gemartert, mit welchen Nachstellungen umringt ich 
ein höchst elendes Leben mit dem kläglichsten Tode geendigt habe. 
Wem ich wegen meiner Aussichten, wegen meiner Blutsverwandtschaft, 
wem ich sogar aus Neid im Leben wichtig war, der wird es beklagen, 
daß der einst Hochbeglückte und aus so vielen Kriegen Gerettete durch 
Weibertücke gefallen sei. Ihr werdet Anlaß finden zur Klage beim 
Senat, zur Anrufung der Gesetze. Nicht das ist der Freunde Haupt¬ 
geschäft, mit feiger Klage dem Verblichenen nachzuweinen, sondern 
seines Willens zu gedenken, seine Aufträge zu vollziehen. Weinen 
über Germanieus werden auch Unbekannte; rächen werdet Ihr mich, 
wofern Ihr mehr mich, als mein Glück liebet. Zeiget dem römischen 
Volke deö vergötterten Angustns Enkelin, in ihr meine Gemahlin; 
zählet ihm unsere sechs Kinder ans. Das Mitleid wird den Anklägern 
zur Seite stehen; und erdichtet man verbrecherische Aufträge, so werden 
die Menschen sie nicht glauben oder nicht verzeihen." Die Freunde, 
des Sterbenden Hand ergreifend, schwuren, eher den Geist, als die 
Rache anfzngeben. 
Hierauf zur Gattin gewandt, beschwor er sie bei seinem Andenken, 
bei ihren gemeinschaftlichen Kindern, den Trotz abzulegen, vor den 
Schlägen des Schicksals ihren Mnth zu beugen und nach Zurückkehr 
in die Stadt nicht durch Wetteifer um Herrschaft die Mächtigcrn zu 
reizen. Dieses sprach er laut, Anderes heimlich, wodurch er, wie man 
glaubte, Besorgniß vor Tiberinö andentete. Nicht lange nachher ver¬ 
schied er zu ungemeinem Leid der Provinz und der umliegenden Völker. 
Ihn betrauerten auswärtige Stämme und Könige; so groß war seine 
Leutseligkeit gegen Bundesgenossen, seine Milde gegen Feinde. In Ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.