oder in die Erde gesteckt, zum Zeichen, daß er nicht unter
den Händen eines gemeinen Mörders, sondern von der
heiligen Vehme verurtheilt, durch die Hand eines Wissen¬
den gefallen sei. So wurde im Jahr 1385 sogar ein
Graf von Wernigerode von den Abgeordneten des heim¬
lichen Gerichts gehenkt. Die Freischöppen mußten Jeden,
über den das Todesurtheil von ihrem Freistuhl ausgespro¬
chen war, ohne Widerrede aufknüpfen, wäre er auch, ihrer
Ueberzeugung nach, der rechtschaffenste Mann gewesen.
Die Sitzungen der heiligen Vehme wurden aber nicht
immer heimlich, sie wurden auch öffentlich gehalten, doch
immer erschienen die Wissenden vermummt.. Um Mitter¬
nacht versammelten sie sich auf dem Kirchhof des Ortes,
wo sie gesonnen waren Gericht zu halten. Mit Anbruch
des Tags verkündete dann das Läuten aller Glocken den
erschrockenen Einwohnern die Ankunft ihrer furchtbaren
Gaste. Alles, Groß und Klein, mußte sich hinaus ins
freie Feld begeben und sich in einen großen Kreis nieder¬
lassen. Der Freigraf saß mit seinen Schöppen in der
Mitte, und vor ihm lagen neue Stricke und ein Degen
oder Dolch.
Befand sich nun Einer im Kreise, der im Ruf eines
Mordes oder Diebstahls, oder eines andern von dm schon
genannten Verbrechen stand, so trat ein Schöppe zu ihm
hin, und sagte ihm ins Ohr: Freund, es ist anderswo
eben so gut Brot essen, wie hier. Das hieß: Haft du
kein gut Gewissen, so stehe auf und gehe, so lang es noch
Zeit ist. Der Mensch konnte nun, wenn er sich schuldig
fühlte, ungehindert in die weite Welt gehen, aber sein
Vermögen mußte zurückbleiben. Berührte der Schöppe
Einen zum dritten Mal mit seinem Stabe, so war dies
ein Zeichen, daß er des Verbrechens nicht nur verdäch¬
tig, sondern ganz überwiesen fti. Er wurde dann gebun-