244 VII. Ztr. Vom weftph. Fried, bis jetzt. 1648 -— 1823. 
über sich selbst ließ er ruhig Tadel und Spott ergehen; das 
Bewnßtseyn seines ernsten Strebens und Wirkens, und der 
Treue gegen seine Pflicht, mußten ihn über die kleinliche 
Empfindlichkeit gegen solche Kränkung hinwegheben. Auf¬ 
klärung, wie man sie damals verstand, war eine Haupt¬ 
sorge des Königs. Aber die Aufklärung der Zeit war die 
des Verstandes, des Zcrgliederns, des Tren¬ 
nens und des Entreiß e n s. Was man nicht erklären 
konnte, wurde verworfen; Glaube, Liebe, Hoffnung, Ehr¬ 
furcht vor dem Alten und Hergebrachten, — Alles, was 
in der Tiefe der Seele seine uncrforschliche Stätte hat, sollte 
mit der Wurzel ansgcrottct werden. Aufzubauen und zu 
begründen verstand jene Zeit nicht; und vielmehr hat diese 
Sucht des Zerstörens, welche als ihren Gipfel die franzö¬ 
sische Revolution herbeigeführt hat, so vieles überall nie- 
dergerisscn, daß das Wiedererbauen noch die Lebenskraft 
vieler Geschlechter wegnehmen wird. 
Es war nicht allein in der Ansicht des Staates und des 
Menschenlebens solche vernichtende Kraft; sie zeigte sich in 
der Wissenschaft, in der Kunst und selbst in der Religion. Die 
Führer des Zuges waren die Franzosen; aber ihre Nachah¬ 
mung fand sich in aller Welt, und am meisten in uns Deut¬ 
schen. Zierlichkeit galt statt der Tiefe, Witz und Hohnlachen 
statt des Ernstes, und an die Stelle der Milde und Innigkeit 
war das kecke, schneidende Wort getreten. Am meisten aber 
verrieth sich der Dünkel der Zert darin, daß sie sich voll 
ihren eigenen Lebenswurzeln trennte, und die Werke ihrer 
Väter verachtete. 
Aber schon.in jener Zeit erkannten Einzelne das Rechte 
und Wahre und erhoben ihre Stimme. Es dürfen in der 
Welt der Kunst nur die Namen von Lessing, K l o p p st o ck 
und Göthe genannt werden; sie waren die Begründer 
einer innigeren Zeit, und haben vieles trefflich vorbereitet. 
Viese schlossen sich an sie an, und es erhob sich ein Widerstand 
des Geistes gegen das Fortschreiten der sinnlichen Betrach¬ 
tungsweise der Wett. Von Seiten der Wissenschaft traten 
bald auch Kant und Fichte auf den Kampfplatz; und 
aus solchen Anfängen erwuchs nach und nach das gewaltige 
Treiben der Geister, welches große Dinge vollbracht, und 
größere vorbereitet hat. 
König Friedrich dem Zweiten blieb dieses Erwachen des 
deutschen Geistes verborgen; wie auf einer Insel, einsam 
abgeschlossen, lebte er in der Welt der französischen Bildung, 
und die Wellen des neuen, lebendigen Stromes brachen 
sich, Ihm unbemerkt, an den Schranken, die ihn umschlossen 
hielten. Sein Beispiel aber, itt der Ueberschätzung des
	        
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