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Maria Theresia und Friedrich H.
Grund zu eurer Größe gelegt, ihr müßt das Merk
vollenden." Diese Worte stnd gleichsam der Grund¬
text zu Friedrichs II Leben. Was in Karl dem
Großen gewirkt und ihn zum Eroberer gemacht,
was Gustav Adolph in den Schlachrentod getrie-
tzen, dasselbe lebte in Friedrich. Der Lebenstrieb,
der seit dem großen Churfürsten im preußischen
Staate war, eine durchaus selbstständige Macht
zu werden, und in der Reihe der ersten in Europa
zu stehen, er wurde in Friedrich dem Großen
gleichsam in einem Brennpunkte vereinigt. Das
sah er als seine unausweichbare Bestimmung an,
sein Volk in den Rang zu heben, den seines
Geistes Kraft ihm als erreichbar vorhielt; den kö¬
niglichen Namen in königliche Macht zu verwan¬
deln. Friedrich hatte eine kühn aufstrebende Seele
von der Natur empfangen, sie hatte im kleinen
Felde nicht Raum und mußte stch ein größeres
erschaffen; an dieser schaffende»! und bildenden
Kraft steht Friedrich den größten Geistern in der Ge¬
schichte nicht nach. Es ist keiner, der starker aufsein
Zeitalter gewirkt und mehr als ein großes Vorbild
gegolten hätte. Aber wiederum ist auch der größte
Mann ein Erzeugniß seiner Zeit, von ihren Schran¬
ken umfaßt, und ihre Tugenden rvie ihre Mängel
in einem klaren Spiegel wiederstrahlend. Daher
dürfen wir unö nicht wundern, wenn Friedrich II,
trotz aller, ihm inwohnenden, Kraft und Größe,
in vielen Dingen den Männern, welche wir mit
ihm zusammengestellt haben, nicht gleichkömmt;
wenn manches an lhin kleinlich erscheint, was in
außerordentlichen Zeitaltern auch eine großartige
Gestalt angenommen hatte; ;a, wenn sogar die
Stimme des Vaterlandes über den großen Mann
manche bittere Klage führen muß. Ein kleinlich
Eigensüchtiges, dem Fremden nachjagendes, nüch¬
ternen Verstand und frechen Witz vergötterndes
Zeitalter, welches viele der heiligen Dinge mit
Fußen tritt, kann die höchste menschllche Voll¬
kommenheit, in durchaus edler Haltung, niwt her-
vvrbringen. Und wenn wir dieses erwägen, so