i54 III. Zir. Karl der Große bis Heinrich I. 768 — 919.
von einem Zandern beleidigt glaubte, und die Kraft
in sich fühlte, sich selbst zu rächen, der suchte sein
Recht nicht auf dem ordenllichen Wege durch den
bestellten Richter, sondern mit den Waffen und durch
die Gewalt der Faust; und darum hat man die Zeit,
da solche Gclbsthülfe allgemein war, die Zeit des
Faustrechts genannt. Sie fängt unter den späte,
ren Karolingern schon an, steigt aber erst länger nach¬
her auf ihre höchste Stufe, und wir werden von ihren
Würkungen noch öfter reden müssen.
Das Nebel mußte wohl groß werden, weil die
Sitten der Nation noch immer roh waren. Waf¬
fen und Jagd blieben die Lieblingsbeschäftigungen.
Der Degen und der Stoßvogel waren dem Teutschen
die größten Kleinode. Er konnte zusehen, wie ein
Schriftsteller sagt, daß ibm Alles genommen wurde;
nur bei diesen war Gefahr, daß er sie auch durch
einen Meineid retten würde. — Die Iagdfeste wa¬
ren prächtig, und gehörten zu den höchsten Lebens.
Zierden; die Frauen, auf schönen Zeltern, sahen der
Erlegung des Wildes zu; am Abend wurde unter
Zelten im Walde gesoeist und unter Hörnerschall ging
der Zug zurück. Der Iagdlust wegen liebten Könige
und Große noch immer das Landleben über Alles,
und verschmähten es, lange in Städten zu seyn.
Die späteren Zeiten der Karolinger, mit allen
äußeren und inneren Unruhen, hatten auch darin
verderblich gewirkt, daß die Anfänge der Bildung,
die Karl der Große durch seine Bemühungen für die
Wissenschaften und durch seine Unterrichtsanstalten
gepflanzt hatte, fast ganz wieder vernichtet wurden.
Keine Zeit in der teutschen Geschichte ist finsterer,
abergläubischer, unwissender, als die nach Ludwrg dem
Teutschen unter den Karolingern und noch eine ge¬
raume Zeit darüber hinaus. Und doch waren die
Teutschen von jeher so sehr der Bildung empfänglich
und durch treuen Fleiß und tiefes Nachsinnen zu aller
Kunst und Wissenschaft geschickt. Ein Beispiel davon
findet sich selbst in dieser finstern Zeit. In den Ta¬
gen Pipins und Karls des Großen waren die ersten