Full text: Geschichte der zweiten Hälfte des Mittelalters (H. 6)

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Als sie den Greis wahrnahm, wie er ruht' in atmendem Schlummer, 
stand das Mütterchen auf vom binsenbeflochtenen Spinnstuhl, 
langsam, trippelte dann auf knirrendem Sande zur Wanduhr 
leis' und knüpfte die Schnur des Schlaggewichts an den Nagel, 
'daß ihm den Schlaf nicht störte das klingende Glas und der Kuckuck. 
Jetzo sah sie hinaus, wie die stöbernden Flocken am Fenster 
rieselten und wie der Ost dort wirbelte, dort in den Eschen 
rauscht' und der hüpfenden Krähn Fußtritte verweht' an der Scheuer. — 
Lange mit ernstem Gesicht, ihr Haupt und die Hände bewegend, 
stand sie vertieft in Gedanken und flüsterte halb, was sie dachte: 
„Lieber Gott, wie es stürmt und Schnee in den Gründen sich anhäuft! 
Armer, wer jetzt auf Reisen hindurch muß, ferne der Einkehr! 
Auch wer, Weib zu erwärmen und Kind, auswandert nach Reisholz, 
hungrig oft und zerlumpt! Kein Mensch wohl jagte bei solchem 
Wetter den Hund aus der Türe, wer seines Viehs sich erbarmet! 
Dennoch kommt mein Söhnchen, das Fest mit dem Vater zu feiern! 
Was er wollte, das wollt' er, von Kind auf! Gar zu besonders 
wühlt mir das Herz! Und o! wie die Katz' auf dem Tritte des Tisches 
schnurrt und das Pfötchen sich leckt, auch Bart und Nacken sich putzet! 
Das bedeutet ja Fremde nach aller Vernünftigen Urteil!" 
Sprach's^und trat an den Spiegel, die festliche Haube zu ordnen, 
welche der Vater verschob, mit dem Kuß ausgleichend den Zwiespalt; 
denn er leerte, das Glas auf die Enkelin, sie auf den Enkel. 
„Nicht ganz schäme sich meiner die Frau im modischen Kopfzeug!" 
Dachte sie leis' im Herzen und lächelte selber der Torheit. 
Neben dem schlummernden Greis', an der anderen Ecke des Tisches, 
deckte sie jetzo ein Tuch von feingemodeltem Drillich, 
stellete dann die Tassen mit zitternden Händen in Ordnung; 
auch die blecherne Dos' und darin großklumpigen Zucker 
trug sie hervor aus dem Schrank und scheuchte die sumsenden Fliegen, 
die ihr Mann mit der Klappe verschont zur Wintergesellschaft; 
auch dem Gesims' enthob sie ein paar Tonpfeifen mit Posen I, 
grün und rot, und legte Tabak auf den zinnernen Teller. 
Als sie drinnen nunmehr den Empfang der Kinder bereitet, 
ging sie hinaus vorsichtig, damit nicht knarrte der Drücker. 
Aus der Gesindestube darauf, vom rummelnden Spulrad, 
rief sie, die Tür halb öffnend, Marie, die geschäftige Hausmagd, 
welche gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte zum Weben, 
hastiges Schwungs, von dem Weber gemahnt und eigenem Ehrgeiz; 
heiser ertönte der Ruf, und gehemmt war plötzlich der Umschwung: 
i) Federspulen.
	        
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