5
Richter sollten in ihrem Urteilsspruche ganz unabhängig sein, den Staat,
wo er Partei war, nicht begünstigen, auch keine Rücksicht auf Befehle
nehmen, die aus dem Kabiuet des Königs kamen. Seit der Zeit gab es
„Richter in Berlin" (Sage vom Müller zu Sanssouci). Das Bestreben,
dem Armen gegen den Reichen zu Recht zu verhelfen, verleitete den
König wohl zu einer falschen Entscheidung (Müller Arnoldscher Prozeß).
Auch in der Verwaltung unterstützte Friedrich den gemeinen Mann eifrig;
er hielt darauf, daß dem Bauern die Hofetage nicht willkürlich vermehrt,
daß die wüsten Hofstätten wieder mit Bauern besetzt wurden. Der
Landbau war auch ihm eine Hauptsäule der Staatswohlfahrt. Er
huldigte dem Grundsätze des Vaters, daß das Geld im Lande bleiben
müsse, erschwerte die Einfuhr fremder Erzeugnisse durch Zölle und be¬
förderte das heimische Gewerbe. Er zog geschickte Arbeiter aus der
Fremde herbei uud legte Fabriken an. So gedieh die Wollweberei nnd
Metallarbeit; Eisenwerkftätten lieferten Gewehre, Kanonen, Harnische,
Kugeln. Salzwerke wurden angelegt; der Seidenbau faud durch An¬
pflanzung von Maulbeerbäumen Förderung.
Oderbruch, Netze- und Warthebruch. Nördlich von der Ein¬
mündung der Warthe floß die Oder früher in drei Seiten eines Vierecks
bei Wrietzen und Freienwalde vorbei. Das Innere dieses Vierecks war
durch die Überflutungen des Stromes in einen Sumpf verwandelt, in dem
nicht einmal Futter für das Vieh gedieh, dagegen Wasser- und Sumpftiere
in großer Menge lebten. Schon Friedrich Wilhelm hatte die Ent¬
wässerung des Oderbruches in das Auge gefaßt, sie aber dem Nachfolger
überlassen. Dieser ließ nun die Terrainverhältnisse durch Messung fest¬
stellen und Anschläge machen. Der im Wasserbauwesen erfahrene Petri,
unterstützt durch den Mathematiker Euler, entwarf den Plan. In der
vierten Seite des Vierecks wurde ein Kanal gezogen, in den zahlreiche
Nebenkanäle führten, und durch eine Verwaltung geschützt. Das Wasser
ergoß sich nun in diesen Kanal in solcher Stärke, daß es denselben zum Haupt¬
strome auswühlte. Es entstand so die neue Oder. Der Stromlauf war
für die Schiffahrt bedeutend verkürzt; durch die Entfumpfung aber ein
weites und äußerst fruchtbares Landgebiet erobert. Als Friedrich den
Netzdistrikt gewonnen hatte, ließ er auch die Netze- und Warthebrüche ent¬
wässern. Das so gewonnene Land wurde meist an Bauern verschenkt,
und bald blühten in der früheren Einöde zahlreiche Dörfer auf.
Brenkenhof, welcher diese Entwässerungen und Besiedelungen leitete, grub
im Aufträge des Königs den Bromberger Kanal, um Weichsel und Oder
zu verbinden. Der Finowkanal führte von dieser zur Havel, der Plauer
weiter zur Elbe. Friedrich ließ auch die Swine, die Odermündung,
welche auf dem kürzesten Wege zum Meere führt, ausbaggern und für
große Seeschiffe fahrbar machen; er legte die Hafenstadt Swinemünde an.
Die Zahl der Einwohner des Landes (5 300 000) und ihre Wohlhabenheit