262
Drittes- Buch.
Besonnenheit geleitet, noch vom Glücke begleitet. Zwischen Frank¬
reich und Spanien dauerte der Krieg noch fort, der im Jahre 1635
ausgebrochen. Die spanische Monarchie faulte unter Philipp IV.
immer mehr zusammen. Die fremden Gesandten an dem spanischen
Hofe sahen allenthalben nichts als Ruinen. Das Land verarmte unter
den thörichten Maßregeln der Regierung und seiner Ungeheuern Ver¬
schwendung, die Geister versumpften unter der Doctrin der Jesuiten.
Von dieser Versumpfung sind selbst die dramatischen Dichter Lope
de Vega, welcher 1635, Calderón de la Barca, welcher 1687
starb, Zeugen. In ihren Stücken erscheint ein Leben, vor dem man
schaudert, wenn man erwägt, daß sie ein genaues Bild der Weise
und Sitte der damaligen Spanier geben. Die Jesuiten haben den
Menschen das Christenthum so leicht und bequem als möglich ge¬
macht, oder vielmehr sie haben es ganz hinweggenommen. Eine
leichte Buße, die festgehaltene Verehrung eines Heiligen oder der
Jungfrau Maria tilgt die entsetzlichsten Verruchtheiten aus und führt
geradeweges in den Himmel. Die ganze Moral des Christenthums
ist über den Haufen gestürzt, ist für diese Menschen gar nicht mehr
da. Ein Ehebruch, ein Mord ist die gleichgültigste Sache, die ge¬
dacht werden kann. Keinem fällt ein, Gewissensbisse über solche Klei¬
nigkeiten zu haben. Das Leben ist desorganisirt und tief in seinem
Innern verfault. Diese innere Fäulniß der Völker der pyrenäischcn
Halbinsel ist in unfern Tagen dem übrigen Europa durch die entsetz¬
liche Wildheit klar geworden, mit der die Menschen dort nicht einen
Krieg unter einander führen, sondern sich unter einander zerfleischen
wie wilde Bestien.
Strengen Gehorsam unter das Königthum, strengen Gehor¬
sam unter die Kirche und unter die Priester, strenges Glauben an
die Art des Christenthums, dessen Verkündigung von diesen ihrem
Interesse gemäß gefunden wird, haben Karl V., Philipp II. und
Philipp III. eingeprägt. Die Freiheiten und Rechte des Mittelalters
waren vernichtet worden, doch hin und wieder hatte sich noch ein
Rest von ihnen erhalten. Katalonien hatte noch seine Cortes und
das Recht der Steuerbewilligung. Die Provinz ward übermäßig
angestrengt, castilianische Truppen eingelegt, die mit Frechheit und
Uebermuth handelten, die Klagen der Katalanen zurückgewiesen und
mit Drohungen beantwortet. Fast scheint es, Olivarez, der Minister
Philipps IV. wollte einen Aufstand Kataloniens, damit eine Gele¬
genheit zur Vernichtung der Freiheiten des Landes werde. Es er¬
folgte derselbe auch; ganz Katalonien erhob sich 1610. Zwar drang
ein königliches Heer alsbald ein und unterwarf die Städte wieder,
aber Barcelona leistete einen verzweifelten Widerstand und das kö«