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Erstes Buch.
fiel saß. Rom war allerdings seit langer Zeit ein tiefer Abgrund
aller Verworfenheit. So indessen wie dieser Alexander hatte noch
Keiner zu Rom alles Menschliche mit Füßen getreten. Es ist, sagt
selbst ein Römer von ihm, nicht möglich, Alles zu erzählen, was
von ihm gefrevelt wider Gott und wider Menschen, nicht
möglich aufzuzahlen, was mit Mord und mit Raub, mit Unzucht
und mit Blutschande begangen worden. Dennoch redet in seinen
Bullen auch dieser Alexander die alte Pabstsprache immer fort. Sie
strömen über von Dingen, die fromm und christlich lauten sollen. Da
ist denn kein Wunder, daß die Menschen meinen, übel hatte Gott
dann für seine Kirche gesorgt, wenn er solchen Menschen die Wache
über sie anvertraut, wenn er solche Statthalter an seine Stelle auf
die Erde gesetzt. Da ist kein Wunder, wenn die Gedanken an die
Reformation, welche das Pabftthum so gerne niedergedrückt, immer
wieder laut werden. Der ehrwürdige Mönch Hieronymus Savo-
narola ist dem König Karl in Florenz entgegengetreten und hat ihn
ausgefordert, die heilige Kirche Gottes zu reformiren. In seinen
Gesichten will er es gesehen haben, daß die Franzosen dazu bestimmt
sind. Er hat es prophezeiht. Karl VIII. aber ist weltlicher Plane
und Entwürfe voll. Auch Pabft Alexander VI. stand in feindlichen
Verhältnissen zu ihm. Er hatte das Erscheinen der Franzosen in
Italien ungern gesehen. Jede große Macht, die sich in Italien fest-
setzcn wollte, mußte dem Pabstthume zuwider sein. Er hatte des¬
halb auch den Sultan Bajasid II. zu bewegen gesucht, doch die
Waffen gegen die Franzosen zu nehmen. Aber diese Hülfe war dem
apostolischen Vater ausgeblieben und die Franzosen waren nach
1494 Rom gekommen 31. Decbr. 1494. Der Pabst, der sich in die En¬
gelsburg zurückgezogen, mußte unter den französischen Kanonen doch
seinen Frieden mit dem König schließen, seine Schlösser und den
Prinzen Dschem ausliefern. Dschem starb aber bald darauf 24.
Febr. 1495, wahrscheinlich auf Anstiften des Pabstes vergiftet, dem
sein guter Freund, der Sultan Bajasid, schon früher ein großes Geld
versprochen, wenn er seinem armen Bruder bald zu den Freuden des
Paradieses verhülfe. Die Franzosen aber gingen weiter nach Nea¬
pel. In Neapel hatte Alonso II., den ungeheuren Haß der Men¬
schen, der ob seiner blutigen Thaten auf ihm lag, bemerkend, der
Krone zu Gunsten seines Sohnes Ferdinands II. entsagt 23. Jan.
1495 1495 und sich nach Sicilien begeben, wo er bald darauf starb.
Der junge König war aber ebenfalls nicht im Stande, das Reich zu
halten. Sein feiges Heer stob vor den Franzosen auseinander.
Ferdinand II. flüchtete auf die Insel Ischia und jene zogen 22.
Febr. 1495 triumphircnd in Neapel ein. Schon zitterten die Os-