1(58 Hl. Ztr. Karl der Große bis Heinrich 1- 768 — 919.
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lingern, und noch eine geraume Zeit darüber hinaus. Und doch
waren die Deutschen von jeher so sehr der Bildung empfänglich
und durch treuen Fleiß und tiefes Nachsinnen zu aller Kunst und
Wissenschaft geschickt. Ein Beispiel davon findet sich selbst in
dieser finstern Zeit. In den Tagen Pipins und Karls des Gro¬
ßen waren die ersten Orgeln ans Griechenland nach Deutschland
gekommen, und Karl gab fich alle Mühe, den lateinischen Kir¬
chengesang bei seinen Deutschen einzuführen. Anfangs wollte es
mit dieser Kunst gar nicht bei ihnen gelingen; wenigstens klagt
ein Italiener aus jener Zeit gar sehr, daß ihre natürliche Roh¬
heit ihnen dabei durchaus hinderlich sey. „Groß an Leib, wie
Berge, sagt er, braust auch ibre Stimme wie ein Donner daher
und kann nicht im süßen Gesänge ertönen; und wenn ihre bar¬
barische und durstige Kehle die zarten Uebergange und Biegungen
des Gesanges sanft hervorbringen soll, so fahren die harten Töne
gleichsam mit einem Geprassel heraus, fast wie ein Wagen, der
über die Steine rasselt, so daß das Gefühl der Hörenden, das
sanft bewegt werden sollte, vielmehr erschreckt und erschüttert
wird." — So lautete zuerst das Urtheil über ihre Fähigkeit zur
Tonkunst. Und doch hatten sie es in kurzer Zeit durch Fleiß und
Uebung so weit gebracht, daß der Papst Johann VIII., der um
das Jahr 870 lebte, den Bischof Anton von Freisingen ersuchte,
ihm aus Deutschland eine gute Orgel nach Italien zu schicken,
nebst einem Künstler, der sowohl im Stande sey, sie zu bauen,
als auch darauf zu spielen.
Ein sehr rühmliches Beispiel der Liebe für seine Mutterspra¬
che gab in diesem Jahrhunderte ein Schüler des Rhabanus Mau¬
rus, der Mönch Otfried in Weissenburg, welcher die Evange¬
lien in deutsche Verse übersetzte, damit sie das Volk lesen könnte.
Karl der Große hatte zwar angefangen, die deutsche Sprache zu
befördern und anszubilden; aber nach ihm dachte man nicht wei¬
ter daran. Otfried nun arbeitete eifrig, sie auch zur Schrift¬
sprache zu machen, obgleich es sehr schwer war, ihre harten und
wunderbaren Laute mit Buchstaben zu bezeichnen. Er eifert mit
Recht gegen diejenigen, welche, gleichgültig gegen ihre Mutter¬
sprache , die Sprache der Lateiner und Griechen lieber mit vieler
Mühe lernten und gebrauchten. „Sie nennen die deutsche Spra¬
che bäurisch, und suchen sie doch nicht durch Schrift und Kunst
vollkommner zu machen, sagt er. Sie hüten sich, im Lateini¬
schen und Griechischen schlecht zu schreiben, und scheuen es in
der ibrigen nicht; sie schämen sich, in jenen auch nur durch einen
Buchstaben gegen die Kunst zu fehlen, und in ihrer eigenen ge¬
schieht es bei jedem Worte. Eine wunderliche Sache, daß so
große Männer alles dieses fremden Sprachen zu Ehren thun,
und die eigene nicht schreiben können!"
Abnahme der freien Leute. — Am bctrübtcsten war in
diesen Zeiten der Zustand der gemeinen freien Leute,
und sie verminderten sich daher auch so sehr, daß sic kaum ncch