Full text: Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte für höhere Bildungsanstalten und Gymnasien

Deutsche Kaiser aus verschiedenen Häusern. 261 
suchte er Thüringen und die Niederlausi'tz an sich zu bringen, 
richtete auch seine Blicke noch überdieß auf Böhmen, Holland und 
die Schweiz. Letztere stand unter dem Schutze des deutschen 
Reichs, Albrecht aber wollte sie zu einem Erblande seines Hauses 
machen, und gestattete daher den Landvoigten jeden Uebermuth, 
damit man dem Reiche entsage. Herrmann Geßlec von Bru¬ 
neck that es hierin allen zuvor, deshalb hatte sich unter den Schwei¬ 
zern bereits ein geheimer Bund gebildet, an dessen Spitze Wer¬ 
ner Stauffach ec, von Schwyz, Walter Fürst von At¬ 
tinghausen, aus Uri, und Arnold von Melchthal, aus Unter¬ 
walden, standen. Doch Wilhelm Tell beschleunigte die Aus¬ 
führung des entworfenen Befreiungsplans durch die Erlegung des 
glühend gehaßten Tyrannen Geßler. In allen Eantonen erhoben 
sich die Schweizer, vertrieben die Voigte und wurden frei. Wohl isos 
möchte der Kaiser mit gcwaffneter Macht eingeschritten seyn, hatte 
ihn nicht sein schwarzes Verhängniß ereilt. Durch wiederholte 
Weigerung, seinem Neffen, Johann, die ihm nach erreichter 
Volljährigkeit nunmehr gebührenden schwäbischen Erblande abzu¬ 
treten, trieb er den ehrgeizigen Jüngling zu einem verzweifelten 
Mordanschlage, dem noch vier Mitverschworene, die Ritter Rudolf 
von Balm, Walter von Eschenbach, Rudolf von Wart und Kon- 
rad von Tegernfeld, beitraten. Sie vollzogen die blutige That 
nahe an der Reuß, im Aargau, als sich der Kaiser nach Rheinfel- Le» i. 
den begeben wollte. Von Gewissensangst erfaßt, stoben die Mör- ®ai 
der aus einander, und nie erhielt man Kunde von ihnen; nur 
Rudolf von der Wart wurde ergriffen und mußte mit zerbrochenen 
Gliedern langsam auf dem Rade sterben. Der Widerwille gegen 
Albrecht und sein Haus war so allgemein, daß man den wenig 
mächtigen Grafen 
Heinrich VIÍ. von Luxemburg zum Kaiser wählte, iros 
Nur neun Städte zählte sein am Saume des Ardennerwaldes gelegenes — " 
Ländchen, allein die strenge Ordnung und innere Ruhe deffelben 555 5 
sprachen für den Regenten, und man hoffte, auch in einem größe¬ 
ren Reiche werde er selbige zu handhaben wissen. In der That 
erneuerte Heinrich den Landfrieden, bestätigte den verschiedenen 
Ständen ihre Freiheiten und erprobte sich als einen weisen und 
milden Herrscher. Durch die Vermählung seines Sohnes Johann 
mit Elisabeth, Ottocars Enkelin und Erbin der böhmischen i3os 
Krone, bereitete er die künftige Verbindung dieses Staates mit 
dem Kaiserreiche vor. Gedrungen Ruhmwürdiges zu vollbringen, 
wie die trefflichsten seiner Vorgänger, beschloß er einen Römerzug, 1310 
was seit 60 Jahren nicht mehr geschehen. Freudig empfingen ihn 
anfangs die Guelfen und Ghibellinen, so wie die einzelnen Staa¬ 
ten und Parteien Italiens, denn jeder hoffte für sich zu gewinnen. 
So schien dem gegenwärtigen Kaiser zu gelingen, was kei¬ 
nem geglückt, die Versöhnung jener. Erb-und Familienssinde.
	        
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