Full text: Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte für höhere Bildungsanstalten und Gymnasien

Frankreich bis zur Errichtung deS Kaiserthums. 477 
Zwiespalt, nach welchem der Adel mit dem dritten Stande nicht 
gemeinschaftlich berathschlagen wollte, veranlaßte letztern, auf den 
Vorschlag des Abbe Sie y es sich für eine constitnicte Natio¬ 
nalversammlung (äLsewdlee nationale) zu erklären, au¬ 
ßerhalb welcher kein Deputirter etwas verfügen oder beschließen 
könne, und als der König nach einer persönlich gehaltenen Sitzung 
den drei Standen anbefohlen hatte, sich für den folgenden Tag 
abgesondert in dem einem jeden bestimmten Saale zu versam¬ 
meln, entgegnele der Graf Mirabeau, ein übel berüchtigter 
Wüstling, aber von überwiegenden Talenten, der sich d.m dritten 
Stande anschloß, weil ihn der Adel verworfen, dem Großceremo- 
nienmeister Breze, welcher kam, den königlichen Befehl nochmals 
zu wiederbolen, „man werde nur der Gewalt der Bayonnete wei¬ 
chen !" Ein großer Theil der nieder« Geistlichkeit und einige des 
Adels traten darauf zum dritten Stande über. Mit unseliger 
Halbheit schwankte Ludwig XVI. zwischen den Rathschlagen seiner 
Gemahlin, des Grasen von Artois, des Prinzen Eonde, des Baroil 
Breteuil, welche Strenge verlangten, und Neckers, welcher Nach¬ 
giebigkeit empfahl. Die erstern behielten die Oberhand, Necker 
wurde entlassen, Breteuil trat an seine Stelle, und 30,000 Mann, 
meistens aus Deutschen, Schweizern und Italienern bestehend, 
rückten unter dem Herzoge von Broglio in die Nahe von Paris. 
Ein wüthender Tumult brach auf diese Kunde los und die Er¬ 
stürmung der Bastille, ein verhaßtes Denkmal früherer Ty¬ 
rannei, eröffnete die Reihe der blutigen Scenen, die folgen sollten. 
Die königliche Garde, so wie viele der herbeigezogenen Soldaten 
gingen zum Volke über, das in dem Herzoge von Orleans einen 
Gönner und Anhänger fand. Zum Schutze des Eigenthums ge¬ 
gen die räuberischen Banden, die nun Paris durchtobten, vereinig¬ 
ten sich die begüterten Burger, 48,000 Mann stark, zu einer Na« 
r i o n a lg a r d e, zu deren Commandante» man anfangs den Mar¬ 
quis de la Salle, kurz darauf aber la Fayette erwählte; eine 
Nationalcocacde, aus Blau, Roth und Weiß zusammengesetzt, 
den Farben der Stadt Paris, wurde dabei aufgesteckt, Neckec 
mußte zurück gerufen werden, das Entzücken der Menge überström- 
te ihn mit Ehrenbezeugungen. Die stürmischen Auftritte der 
Hauptstadt wiederholten sich durch ganz Frankreich, worauf die 
Auswanderungen vieler vom Adel und von der Geistlichkeit began¬ 
nen ; auch der Graf von Artois mit seinen zwei Söhnen, die 
Prinzen von Eonde, der Marschall Broglio, der Baron Breteuil 
und die Familie Polignac, flohen aus Frankreich. In der Na- 
tionalversammlung trat schon die linke Seite als demokratisch 
hervor, gegen welche die a merica Nische, gemäßigtere Partei, 
la Fayette an der Spitze, wenig vermochte. Auf den Vorschlag 
des Advocaten Noaille wurde in der Nacht vom 21. August 
t>ie Achchaffung aller Vorrechte des Adels, aller Zehnten, Zinsen, 
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