71
Volkes zeigt sich darin, daß Apollon nicht bloß als ein die
Sünde strafender und rächender Gott, sondern zugleich als Ver¬
söhner und Erlöser von den Nebeln, als Folgen der Schuld, dar¬
gestellt wird. Auch diese Seite des apollinischen Kultus ist an
den Kampf mit dem Drachen angeknüpft. Der sündlose Gott
hatte sich durch die Tödtung des Drachen verunreinigt. Um diese
Befleckung seines reinen Wesens zu tilgen, unterzieht sich der Gott
langer Buße durch Knechtsdienst, indem er die Heerden des thessa-
lichen Fürsten Admet acbt Jahre lang hütet. So wird der
„wahre Phöbos", der sich selbst gereinigt, das hehre Vorbild
eines die Sünde überwindenden Lebens. Als Retter und Reini¬
ger (aœr/ip und xaOapato;) nimmt er den bußfertigen Sünder
auf und vollzieht die Reinigung an ihm, indem er ihn mit dem
Blute des Sühnopfers besprengt und mit dem heiligen Lorbeer¬
zweig berührt. Dann verscheucht der versöhnende Gott die rast¬
losen Rachegeister, die Erynnien, die aus dem Bewußtsein der
Sünde und Schuld aufsteigen, und führt Frieden in die Seele des
Menschen zurück, indem jene in wohlgesinnte Geister, in die
Eumeniden, sich verwandeln. — Die Attribute oder Symbole
des Apollon sind entsprechend der Vielseitigkeit seines Wesens
sehr manchfaltig. Die gewöhnlichsten sind Pfeil und Bogen,
die Phorminx (das alte Saiteninstrument der Griechen), der
Dreifuß (das Symbol des strahlenden Phöbos), der Wolf
(Xüxoç, Symbol des rächenden Apollon) u. a.
à) 9ir ternis1), die Göttin des Mondes, ist nach ihrer Ra¬
turbedeutung gewissermaßen die weibliche Seite des Lichtgottes.
Das Licht der Nacht, die Schwester Apollons, ist wie dieser von
der Letoj d. i. aus dem verborgenen Dunkel geboren, und heißt
ebenfalls die lichte (Xuxsia), oder das Auge (am?) der Nacht.
Das freie Naturleben in Berg und Wald, in Hainen und Thal¬
gründen, wo alles Gedeihen unter ihrem Einfluß steht, ist ihr
eigentliches Gebiet. Sie ist daher Beschützerin der Thiere des
Waldes und Feldes, die Göttin der Jagd, und selbst eine rüstige
Jägerin, in beständiger Begleitung von Nymphen der Berge,
Quellen und Flüsse. Artemis, die Allegorie des reinen Mond¬
lichtes, ist eine streng jungfräuliche Göttin, unter deren Schutz die
Mädchen stehen, und ein Ideal weiblicher Schönheit, daher sie
auch K altiste heißt. Ihr gewöhnliches Symbol ist die Hirsch¬
kuh (wegen des buntgesleckten Fells ein Sinnbild des Himmels).
Sonst wird sie auch mit der Fackel in der Hand, mit dem Hund,
mit Bogen und Wurfspieß dargestellt.
6) Hephästos (wohl von cpato, cpaivoo) ist der Gott des
elementaren Feuers, das als eine Gabe des Himmels nach der
Vorstellung der Griechen durch den Blitz auf die Erde kam.
i) Der Name hängt wohl mit rüstig, kräftig, zusammen.