XII
mehre Beziehungen bleiben unbemerkt, und die trefflichsten Stel¬
len vielleicht ohne Eindruck. Ganz anders ist es, wenn der
Lehrer im Geschichtsunterrichte erst die eleusischen Mysterien be¬
schreibt, ihre Veranlassung und die Bedeutsamkeit derselben dar¬
legt, und nun, wenn die Seele ein klares Bild gewonnen hat,
die Muse herniederschwebt und der Dichter feiernd singt: „Win¬
det zum Kranze die goldenen Aehren, flechtet auch blaue Cyanen
hinein!" rc. — Troja fiel und die Griechen haben das Ziel
zehnjähriger Mühen errungen — da greift der Dichter in die
Saiten und singt das Siegesfest „Priam's Feste war gesunken,
Troja lag in Schutt und Staub." Jetzt wird das Lied auch
dem Schüler ein Siegeslied, während es isolirt hingestellt und
vom Lehrer commentirt Vielen ein Pensum ist, das sie auf
Commando wieder commentiren müssen. Salomo's Lob einer
tugendhaften Hausfrau enthält des Schönen so viel, daß es
dem weiblichen Gemüthe gefallen muß; aber es berührt auch viele
unserer Zeit fremde Beziehungen, die gelesen und eben nur ge¬
lesen werden. Doch welchen tiefen Eindruck macht es, wenn
aus der Reihe der asiatischen Völker die Hebräer hervortreten,
wenn das hebräische Volksthum geschildert wird, und nun aus
dem Volke selbst der königliche Sänger auftritt und ein tugend-
sames Weib besingt! Da ist es kein schaler Vergleich, wenn es
von ihm heißt: „Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, das seine
Nahrung von ferne bringet" rc. und jeder Commentar wird ent¬
behrlich."
Gerne würde der Verfasser die ganze Recension hersetzen,
wenn er nicht schon durch das Mitgetheilte befürchten müßte, in
den Verdacht selbstgefälliger Autor-Eitelkeit gerathen zu sein.
Er scheidet von dem geneigten Leser mit der Versicherung, daß
er nie eitler Ehre, sondern immer nur dem Bestreben gelebt
habe, der Jugend nützlich zu sein.