Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

136 
Söhne, später wurde er zwar frei gegeben, doch Judith's Ränke ließen 
nicht nach und bald kam er zum zweiten Male in Gefangenschaft. Als 
aber der älteste Sohn Lothar, dessen Reich bis heute Lotharingen oder 
Lothringen heißt, den Vater zur öffentlichen Kirchenbuße zwang, um ihn 
vor dem Volke recht herabzuwürdigen, vereinigten sich Ludwig und Pipin 
gegen Lothar und erhoben den Vater wieder auf den Thron. Indessen 
lohnte er seinen Söhnen Ludwig und Pipin doch schlecht; denn er ließ 
sich von seiner Gattin und Lothar so leiten, daß er nach Pipin's Tode 
wieder eine neue Theilung vornahm, in welcher Lothar und Karl der Kahle 
am meisten bedacht wurden. Jetzt zog Ludwig der Deutsche abernrals 
gegen den Vater zu Felde, doch der plötzliche Tod des Kaisers machte 
diesem neuen Kriege bald ein Ende, und als nun Lothar die Kaiserwürde 
annahm, Ludwig in Deutschland, Karl in Frankreich unabhängig herrschten, 
schien der Friede zwischen den Brüdern auf immer gesichert zu sein. Allein 
Lothar zeigte sich wieder so anmaßend, daß Ludwig und Karl sich gegen 
ihn vereinigten. Sie kamen deshalb im Jahre 842 zu Straßburg zusam¬ 
men und schworen gegenseitig einen feierlichen Eid des Inhalts: Aus Liebe 
gegen Gott, für das christliche Volk und unsere beiderseitige Erhaltung, 
will ich von diesem Tage an und fernerhin, so lange mir Gott Wissen 
und Vermögen verleiht, diesen meinen Bruder aufrecht erhalten und ihm in 
jeder Sache helfen, wie ein Mensch mit Recht seinem Bruder helfen soll; 
mit Lothar aber will ich keinen Vergleich eingehen, der mit meinem Willen 
dem mir verbündeten Bruder zum Schaden wäre. 
Nach dieser eidlichen Verbindung rückten Ludwig der Deutsche und 
Karl der Kahle gegen Lothar. Nach einer siegreichen Schlacht nöthigten 
sie ihn zu einem Vergleiche, der zu Verdun geschlossen wurde 843. Durch 
diesen Vergleich bekam Lothar Italien mit der Kaiserwürdc und Loth¬ 
ringen, Ludwig Deutschland, Karl der Kahle Frankreich. So war nun 
die große Monarchie Karl's des Großen getheilt, Deutschland und 
Frankreich aber wurden aus immer von einander getrennt. Doch in 
allen drei Reichen arteten die Karolinger bald aus. Dem Kaiser Lothar 
folgte dessen Sohn Lothar II., und diesem sein Enkel Ludwig II., mit 
welchem der Stamm Lothar's ausstarb 875. Die Kaiserkrone erhielt her¬ 
nach Karl der Kahle, König von Frankreich, und erst nach dessen Tode 
kam sie auf einen Sohn Ludwigs des Deutschen, Karl den Dicken, der 
auf kurze Zeit wieder die ganze Monarchie Karl's des Großen unter seinem 
Scepter vereinigte. Allein die Geistesschwäche dieses Fürsten und die Ein¬ 
fälle der Normannen in Nordfrankreich bewirkten seine Absetzung im I. 
887; bald darauf starb er 883. Während dieser Zeit geriethen die frän¬ 
kischen und deutschen Staaten in große Zerrüttung, geistliche und weltliche 
Große maßten sich immer mehr Besitzungen und Rechte an, die Könige ver¬ 
loren Macht und Ansehen, die Staaten lösten sich in viele einzele Gebiete auf, 
Verwirrungen, Befehdungen und Bedrückungen hatten überall die Oberhand.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.