Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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beschäftigten, Can onisten, denn die alten kirchlichen Bestimmungen, welche 
Canonen heißen, bildeten vorgeblich die Grundlage der Erörterungen. 
Diese neue Wissenschaft hatte damals ihren Sitz an den Universitäten 
Bologna und Paris. Der Clerus beschäftigte sich dagegen mit den 
Wissenschaften, die ihm für seinen Wirkungskreis nahe lagen, fast gar 
nicht; die christliche Sittenlehre fand nur beiläufig eine Beachtung von den 
Scholastikern, durch Abälard erhielt sie jedoch eine eigenthümliche Bearbei¬ 
tung, während die Mystiker, wie der heil. Bernhard, Hugo von St. 
Victor, Richard von St. Victor und Bon aventura besonders die 
Hilfsmittel entwickelten, welche die Mystik zur Sittlichkeit darbietet. Die 
Erklärung der heiligen Schrift wurde sehr vernachlässigt; man hielt sicb 
nur an die lateinische Uebersetzung, die unter dem Namen „Vulgata" 
bekannt ist. Indem man sich bemühte, sie zu berichtigen, aber dabei von 
hinreichender Sachkenntniß entblöst war, vermehrte man nur die Verwir¬ 
rung, und das Verständniß der heil. Schrift schöpfte man fast allein aus 
den Erklärungen der alten Kirchenväter. Die Mystiker, wie Bernhard 
von Clairvaux und Thomas von Aguino, dessen Erklärungen den 
meisten Beifall fanden, beschäftigten sich gerade mit den dunkelsten Büchern 
der Bibel am liebsten. Sie legten den Stellen der Schrift gar einen vier¬ 
fachen Sinn unter und wendeten dabei einen wirklich großen Scharfsinn 
auf, der aber bei dieser Erklä'rungsweise ganz unnütz verschwendet war. 
Wie die kirchliche Wissenschaft überhaupt, so war auch insbesondere die 
Predigt dieser Zeit beschaffen und wenn auch die Predigten der Mystiker 
viel Dunkeles und Spielendes enthielten, so zeichneten sich doch die des heil. 
Bernhard und des Bonaventura durch ein inniges Gefühl und erbauliches 
Element aus; als kräftiger Sittenprediger erwarb sich indeß der Francis- 
caner Berthold in Regensburg einen großen Namen (1272). 
§. 15» Fortsetzung. Das Ritterthum. 
Lebensvoller als die Scholastik wirkte das Ritterthum auf die Aus- 
bildcmg und Veredlung der germanischen Völker. Die Keime dazu lagen 
in den alten germanischen Sitten, nach welchen des Mannes Ehre von 
seiner Tapferkeit und Redlichkeit abhing; dazu kam nun die christliche Fröm¬ 
migkeit, welche einem jeden Ritter die Beschützung der Schwachen und 
Unterdrückten, besonders der Frauen, und Schonung der Besiegten und Un- 
bewehrten auferlegte. Während der Kreuzzüge blühte das Ritterthum rasch 
auf und nun wurde Jeder, der aus einem edlen und freien Geschlechte 
stammte, d. h. dessen Vater und Ahnen schon freie, oder von Königen und 
Fürsten ausgezeichnete Krieger waren, auf seinen Stand sorgfältig vorbe¬ 
reitet. Bis zum siebenten Jahre blieb der Knabe unter der Pflege und 
Aufsicht der Mutter, dann wurde er auf das Schloß eines befreundeten 
Ritters geschickt, wo er sich als Edelknabe in verschiedenen Diensten übte. 
Weltgeschichte. II. 16
	        
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