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edler Kunstwerke Vandalismus. Geiserich zog darauf, mit Schaßen reich
beladen, nach Afrika zurück, das damals schöner war als das zerfallende
Rom und das verwüstete Italien. Hier dauerte das Kaiserreich noch 21
Jahre lang fort; in dieser Zeit gingen 8 Kaiser, von den Soldaten ein¬
und abgesetzt, wie Schatten auf und nieder, bis endlich der Knabe No¬
mulus Momyllus, mit dem Spottnamen Augustulus, dem Odoaker,
König der Heruler, die Kaiserkrone auf den Knieen übergab (im I. 4^6),
und von diesem Leben und Unterhalt auf einem alten Schlosse erhielt.
Odoaker war ein kühner deutscher Fürst; in seinem Gefolge hatten sich aus
allerlei deutschen Völkern, besonders Herulern und Rugiern, streitbare
Männer gesammelt, die durch die Länder, welche von den Hunnen verödet
worden waren, zogen und sich eine wohnliche Heimath suchten. Auf ver¬
schiedenen Zügen kam Odoaker auch nach Ober-Baiern, wo ein frommer
Einsiedler, Namens Severinus, das Christenthum lehrte. Es ist unbe¬
kannt, ob Odoaker schon früher Christ war oder erst jetzt bekehrt wurde;
man erzählt aber, daß Severinus in ihnr ein frommes Gemüth und einen
rüstigen Herrscher erkannt und mit den Worten entlassen habe: „Ziehe hin
nach Italia, ziehe hin, Odoaker, der Du jetzt mit einem gemeinen Pelze
gekleidet bist; bald wirst Du Größeres und Kostbareres, bald wirst Du
Purpur und Seide Anderen schenken." Odoaker zog auf der Alpenstraße
nach Italien und verlangte hier nur den dritten Theil des Landes zum
Wohnsitze für sein Volk. Orestes, der Vater des jungen Kaisers, trat
ihm jedoch bei Pavia entgegen, verlor aber Schlacht und Leben. Da kam
Nomulus Augustulus aus Ravenna demüthig zu dem Sieger, legte das
kaiserliche Purpurkleid vor ihm ab und übergab ihm die Krone und Re¬
gierung. Mit ihm hörte die Macht des römischen Staats und des Volkes
auf, Kaiser zu ernennen, und das weströmische Reich, das seit der Erbauung
Roms 1229 Jahre gedauert hatte, war aufgelöst, während das oströmische
oder morgenländische noch nahe an >90» Jahre fortbestand und erst im I.
1453 durch die Türken zu Grunde ging. Dem Arcad ins folgte in
Constantinopel dessen Sohn Theodosius II., der den ganzen Hof prunk¬
voll und üppig nach asiatischer Weise (— er war in Persien erzogen
worden —) einrichtete und seine Schwester Pulcheria regieren ließ, wäh¬
rend er sich mit Kalligraphie beschäftigte und Buchstaben malte. Nach
ihm folgte Marcianus, der Gatte der Pulcheria, und dann Leo der
Große, der vom Patriarchen von Constantinopel gekrönt wurde. Als
Rom unterging, saß Zeno der Jsaurier auf dem griechischen Throne;
er war nicht im Stande, das Unglück abzuwehren, und das weströ¬
mische Reich, jetzt unwürdig seines früheren Glanzes und Ruhmes, war
unrettbar verloren.