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ganz frei war und dadurch einen gefährlichen Zwist hervorrief. Der Land-
syndicus Olden Barneveld, der den Prinzen zum Statthalter empfohlen
hatte, wurde es zuerst gewahr, daß derselbe nach willkürlicher Gewalt strebte und
arbeitete ihm aus reiner Vaterlandsliebe mit allem Eifer entgegen. Hugo
Grotius, einer der geistreichsten und gelehrtesten Männer seiner Zeit, stand
ihm dabei zur Seite; doch Moritz fand bald Gelegenheit, sich beider zu entle¬
digen. Bei einer Religionsstreitigkeit, bei welcher Barneveld und Grotius
die Partei der Vernünftigeren schützten, lenkte er den Haß des Volkes auf sie.
Sie wurden verhaftet und Barneveld starb bald darauf durch Henkershand.
Dasselbe Schicksal drohte auch seinem Freunde, doch wurde dieser durch seine
Gattin gerettet. Sie hatte die Erlaubniß, mit ihm den Kerker zu theilen,
und kam auf den Einfall, ihren Gatten in einer Kiste fortzuschaffen, in
welcher gewöhnlich die Bücher, die ihm zu lesen verssattet waren, hin und
wieder geschickt wurden. Er entkam glücklich nach Schweden, und der
Prinz war nicht so ungroßmüthig, der hochherzigen Frau es zu vergelten,
sondern ließ sie ungehindert ihrem Manne folgen. Uebrigens wurde durch
den Tod des edlen Barneveld das Volk zur Besinnung gebracht; es
bewachte Moritzens Schritte sorgfältig und dieser unternahm nichts wei¬
ter zur Unterdrückung der allgemeinen Freiheit, sondern vertheidigte sie mit
tapferem Arme gegen Spanien. Vom I. 1609 an hatten sich die Nie¬
derlande auf die Spitze ihres Glanzes und ihrer Größe erhoben, auf wel¬
cher sie fast hundert Jahre lang blieben.
§♦ 8. England und Schottland. Königin Elisabeth (1558 —
1603) und Maria Stuart.
Kräftig blühte Britannien unter der Regierung der weisen Königin
Elisabeth empor; sie richtete ihr Auge sogleich auf Alles, was zu ihres
Volkes Heil und Wohlfahrt dienen konnte, so daß Handel und Gewerbe,
Ackerbau und Seefahrt, Künste und Wissenschaften mit erstaunlicher
Schnelligkeit durch sie sich erhoben. Das Streben, die Reformation einzu¬
führen, erregte ihr vielen» Kummer und vielen Widerstand. Die Beibe¬
haltung des Episcopalsystems erweckte den Unwillen derer, die sich für die
Genfer Kirchenverfassung entschieden hatten; sie trennten sich unter dem
Namen der Puritaner oder Presbyterianer von den Episcopalen
oder der Hochkirche; jene waren mit den bestehenden kirchlichen Verhält¬
nissen unzufrieden, weil sie keine bischöfliche Gewalt und keinerlei Ceremo-
nien haben wollten. Elisabeth suchte vergebens ihren Gegensatz zu der
Episcopalkirche zu brechen; sie erließ zu diesem Zwecke die sogen. Unifor¬
mität sacke (1562) und drohte mit Geld- und Gefängnißstrafen, mit
Entsetzung und Landesverweisung denen, die sich der bischöflichen Kirche
widersetzten. Diejenigen, welche sich dem Willen Elisabeth's fügten, nannte
mau Conformisten; sie galten bei den Puritanern als Abtrünnige; da-
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