Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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durch welche Luther zog, empfingen ihn entweder mit Jauchzen, oder mit 
Staunen und Bewunderung. Als er schon dem Rheine und den Landern 
der Bischöfe nahte, wo an den Kirchthüren die Bannbulle angeschlagen 
war, fragte ihn der kaiserliche Herold, welcher mit ihm fuhr, ob er noch 
weiter ziehen wolle. Luther antwortete: „Ja, in Gottes Namen!" Spa¬ 
latili, der mit dem Kurfürsten Friedrich schon in Worms war, sandte 
ihm einen Boten entgegen und ließ ihm sagen: „die Sachen ständen schlimm, 
er solle umkehren." Doch Luther antwortete: „Nein! und wenn sie ein 
Feuer machten, das zwischen Wittenberg und Worms bis an den Himmel 
reicht, so will ich doch, weil ich vorgefordert, im Namen des Herrn erscheinen 
und zwischen die Zähne meiner Feinde treten, Christum bekennen und ihn 
walten lassen." So kam er an die Thore von Worms, wo ihn seine 
Freunde noch einmal aufhalten wollten, er aber rief aus: „Und wenn so 
viele Teufel in Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, so will ich 
hinein! Ist schon Huß zu Asche verbrannt, so ist doch die Wahrheit nicht 
mit verbrannt worden!" — Und so fuhr er hinein auf einem offenen Wäg¬ 
lein, im schlechten Mönchskleide, der einzele Mann, der dem mächtigsten 
Tyrannen auf Erden die Fehde angekündigt hatte. Die Menge wogte in 
den Straßen; die Dächer waren abgedeckt, man drängte sich, den merk¬ 
würdigen Mönch von Wittenberg zu sehen. Kaum war Luther in Worms 
angekommen, so begannen seine Gegner von Neuem, den Kaiser dahin zu 
bestimmen, das freie Geleit aufzuheben. Doch nimmermehr mochte der 
Kaiser sich und seine Krone schänden; mit edlem Unwillen erklärte er: 
„Was man zusagt, das soll man halten." Die angesehensten Fürsten des 
Reichstages stimmten ihm bei. Luther wurde darauf, — nach kurzer 
Nachtruhe in des Kurfürsten Friedrich Herberge, und nachdem er sich durch 
brünstiges Gebet gestärkt hatte, — in den glänzenden Versammlungssaal 
der Fürsten geleitet. Um dem Volksgedränge auszuweichen, führte man 
ihn durch Seitenpfade und Gärten. Ein greiser Held, des Kaisers Mar¬ 
schall, Georg Frcundsberg, klopfte ihm am Eingänge in die Versamm¬ 
lung auf die Achsel und sprach: „Mönchlein! Mönchlcin! du gehst jetzt 
einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberster in unserer allerernstesten 
Schlachtordnung nicht gegangen sind. Bist du aber auf rechter Meinung 
und deiner Sache gewiß, so sei nur getrost, und fahre in Gottes Namen 
fort. Gott wird dich nicht verlassen." — Mit diesem Tröste trat er un¬ 
erschrocken in den Saal ein, wo die glänzenden Reihen der Kurfürsten, 
Bischöfe, Aebte, Herzoge, Grafen und anderen Stände des Reiches, der 
Kaiser selbst und dessen Bruder an der Spitze, Cardinäle und fremde Ge¬ 
sandte zur Seite, mit gespannter Erwartung seiner harrten. Hier legte 
ihm der kaiserliche Orator und Official des Erzbischofcs von Trier, Jo¬ 
hann von Eck, seine Schriften vor lind fragte ihn: „ob er den Inhalt 
derselben widerrufen wolle?" Luther bat sich einen Tag Bedenkzeit aus, weil 
er nicht vorbereitet sei, in einer solchen ansehnlichen Versammlung, vor Kaiser
	        
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