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durch welche Luther zog, empfingen ihn entweder mit Jauchzen, oder mit
Staunen und Bewunderung. Als er schon dem Rheine und den Landern
der Bischöfe nahte, wo an den Kirchthüren die Bannbulle angeschlagen
war, fragte ihn der kaiserliche Herold, welcher mit ihm fuhr, ob er noch
weiter ziehen wolle. Luther antwortete: „Ja, in Gottes Namen!" Spa¬
latili, der mit dem Kurfürsten Friedrich schon in Worms war, sandte
ihm einen Boten entgegen und ließ ihm sagen: „die Sachen ständen schlimm,
er solle umkehren." Doch Luther antwortete: „Nein! und wenn sie ein
Feuer machten, das zwischen Wittenberg und Worms bis an den Himmel
reicht, so will ich doch, weil ich vorgefordert, im Namen des Herrn erscheinen
und zwischen die Zähne meiner Feinde treten, Christum bekennen und ihn
walten lassen." So kam er an die Thore von Worms, wo ihn seine
Freunde noch einmal aufhalten wollten, er aber rief aus: „Und wenn so
viele Teufel in Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, so will ich
hinein! Ist schon Huß zu Asche verbrannt, so ist doch die Wahrheit nicht
mit verbrannt worden!" — Und so fuhr er hinein auf einem offenen Wäg¬
lein, im schlechten Mönchskleide, der einzele Mann, der dem mächtigsten
Tyrannen auf Erden die Fehde angekündigt hatte. Die Menge wogte in
den Straßen; die Dächer waren abgedeckt, man drängte sich, den merk¬
würdigen Mönch von Wittenberg zu sehen. Kaum war Luther in Worms
angekommen, so begannen seine Gegner von Neuem, den Kaiser dahin zu
bestimmen, das freie Geleit aufzuheben. Doch nimmermehr mochte der
Kaiser sich und seine Krone schänden; mit edlem Unwillen erklärte er:
„Was man zusagt, das soll man halten." Die angesehensten Fürsten des
Reichstages stimmten ihm bei. Luther wurde darauf, — nach kurzer
Nachtruhe in des Kurfürsten Friedrich Herberge, und nachdem er sich durch
brünstiges Gebet gestärkt hatte, — in den glänzenden Versammlungssaal
der Fürsten geleitet. Um dem Volksgedränge auszuweichen, führte man
ihn durch Seitenpfade und Gärten. Ein greiser Held, des Kaisers Mar¬
schall, Georg Frcundsberg, klopfte ihm am Eingänge in die Versamm¬
lung auf die Achsel und sprach: „Mönchlein! Mönchlcin! du gehst jetzt
einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberster in unserer allerernstesten
Schlachtordnung nicht gegangen sind. Bist du aber auf rechter Meinung
und deiner Sache gewiß, so sei nur getrost, und fahre in Gottes Namen
fort. Gott wird dich nicht verlassen." — Mit diesem Tröste trat er un¬
erschrocken in den Saal ein, wo die glänzenden Reihen der Kurfürsten,
Bischöfe, Aebte, Herzoge, Grafen und anderen Stände des Reiches, der
Kaiser selbst und dessen Bruder an der Spitze, Cardinäle und fremde Ge¬
sandte zur Seite, mit gespannter Erwartung seiner harrten. Hier legte
ihm der kaiserliche Orator und Official des Erzbischofcs von Trier, Jo¬
hann von Eck, seine Schriften vor lind fragte ihn: „ob er den Inhalt
derselben widerrufen wolle?" Luther bat sich einen Tag Bedenkzeit aus, weil
er nicht vorbereitet sei, in einer solchen ansehnlichen Versammlung, vor Kaiser