Full text: Lesebuch für höhere Bildungsanstalten (4)

Würde nicht Freude mir sein, wenn Todesgeschick dich erreichte, 
Sonder nur Gram. Selbst Vater und würdige Mutter verlor ich, 
Siehe, du weißt es, den Vater erschlug mir der hehre Achilleus, 
Als er die Stadt einnahm, die der Kiliker Menge bewohnte, 
Thebe mit ragendem Thor. Dem Eetion, den er getödtet, 
Nahm er die Rüstung nicht, denn Scheu noch trug er im Herzen, 
Sondern verbrannt ihn zugleich mit dem künstlichen Waffengeschmeide, 
Hochaufhäufend ein Mal; ringsum mit Ulmen bepflanzten's 
Nymphen der Berge darauf, Zeus Töchter, des Aegisbewährlen. 
Ferner die leiblichen Brüder, der Zahl nach sieben im Hause, 
Gingen mir Alle hinab an demselbigen Tage zu Ais, 
Alle darniedergestreckt von dem Renner, dem hehren Achilleus, 
Bei schwerfälligen Rindern und Schafen mit blendender Wolle; 
Aber die Mutter, die Fürstin am Plakos, dem waldungreichen, 
Die zwar jener hinweg nur führte mit anderer Beute, 
Und dann wieder entließ um den Preis unendlicher Lösung, 
Nahm in dem Hause des Vaters mir Artemis, welche den Pfeil liebt, — 
Hektor, o du bist jetzo mir Vater und würdige Mutter, 
Auch mein leiblicher Bruder, o du mein blühender Gatte! 
Drum so erbarme dich meiner und bleib' allhier auf dem Thurme! 
Mache zur Waise doch nicht dein Kind und zur Wittwe die Gattin; 
Volk nur stelle genug an die Waldfeig'! Ist doch am meisten 
Dort zugänglich die Stadt, und dem Anlauf offen die Mauer. 
Denn schon dreimal nahten die Tapfersten dort und versuchten's 
Rings um die Ajas beid' und Jdomeneus rühmlichen Namens, 
Auch um des Atreus Söhn' und des Tydeus muthigen Sprößling; — 
Ob wohlkundig es Jenen ein Seher vielleicht weissagte, 
Oder ihr eigenes Herz eingab, und von selber sie antrieb. 
Ihr antwortet der ragende Held mit dem wallenden Helurbusch: 
Traun, ich selber, o Gattin, erwäge das Alles; zu sehr nur 
Scheu' ich die troischen Männer und Frauen mit laugen Gewändern, 
Wenn ich, dem Feigling gleich, in der Fern' ausweiche denr Kampfe. 
Nicht auch will es mein Herz-, denn mannhaft lernt' ich gesinnt sein 
Immer, und unter den Ersten der Troer zu stehen int Kampfe 
Ehrenden Ruf nachstrebend des Vaters zugleich und dem meinen. 
Zwar das seh' ich ja wohl im Verstand und in ahnender Seele, 
Einst wird kommen der Tag, wo dahinsinkt Jlios Hoheit, 
Priamus selber, und Priamus Volk, des Beherrschers der Lanze. 
Nicht auch geht mir so nahe das künftige Leid der Trojaner, 
Selber der Hekabe nicht, noch Priamus auch, des Beherrschers, 
Weder der leiblichen Brüder die, ihrer so viel' und so tapfer, 
Dann in den Staub hinsinken, den feindlichen Männern erliegend, 
Als dein Loos, wenn ein Mann der erzumschirmten Achaier 
Weg dich Weinende führt, und den Tag dir entreißet die Freiheit; 
Wenn du im Argos dann für die Feinde dich mühest am Webstuhl, 
Wasser vielleicht aus dem Quell Hypercia oder Messeis 
Trägst unmuthig daher, und der Macht dich fügest des Zwanges; 
Wenn einst also man sagt, dich Thränenvergießende schauend: 
„Hektars Weib war diese, des tapfersten Streiters im Volke 
Rossebezwingender Troer, dieweil sie um Jlios stritten;"
	        
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