Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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Tüchtigkeit wieder hoch aufrichtete. Mit Recht sagte Jahn im I. 1812: 
„Noch sind wir nicht verloren! Noch sind wir zu retten! Aber nur durch 
uns selbst. Wir brauchen zur Wiedergeburt keines fremden Beistandes; 
nicht fremde Arznei, unsre eignen Hausmittel genügen. Denn immer geht 
vom Hauswesen jede wahre und beständige und achte Volksgröße aus, im 
Familienglücke lebt die Vaterlandsliebe, und der Hochaltar unseres Volks- 
thumes steht im Tempel der Häuslichkeit; sie ist die beste Vorschule, Deutsch- 
heit heißt sie bei uns im Großen. Für sie kann Jeder leben, er sei reich 
oder arm, vornehm oder gering, einfältig oder gelehrt, Mann oder Weib, 
Jüngling oder Jungfrau, Kind oder Greis. Man vermag dahin zu wirken 
vom Throne und von der Bühne, vom Predigtstuhle und vom Lehrersitze, 
mit Schrift wie mit Rede." 
Das häusliche Glück der königlichen Familie wurde zwar im I. 1806 ge¬ 
trübt und die Königin Louise mußte mit ihrem Gemahle bis an die äußerste 
Grenze des Reiches flüchten. Doch wie groß und in den Willen Gottes erge¬ 
ben erschien sie auch hier! „Alles von dir dort oben," schreibt sie an ihren 
Vater, den Herzog von Meklenburg-Strelitz aus Memel, „Alles von dir, 
du Vater der Güte. Mein Glaube soll nicht wanken; aber hoffen kann ich 
nicht mehr." Der Jubel, mit dem die Mutter des Landes und der König bei 
der Rückkehr nach Berlin empfangen wurden, war unbeschreiblich. Wohl 
erlebte sie nicht die Freude, ihren Gemahl und ihr Volk in glänzendem 
Siegeskranze nach der Schlacht von Leipzig, nach der Einnahme von Paris, 
nach dem Tage bei Belle Alliance zu schauen, allein zur Wiedergeburt von 
Preußen hat das Andenken an sie gewiß viel beigetragen, und nicht 
Körner allein hat sich an dem Anblicke ihrer Büste zum Kampfe begeistert. 
Nach ihrem Vorbilde haben die edlen Frauen und Jungfrauen Berlins die 
Verwundeten gepflegt, die Hungrigen gespeist, die Krankenhäuser mit Ge¬ 
fahr des Lebens besorgt, und gleich den alten deutschen Frauen, während die 
Männer im Felde stritten, daheim Werke der Liebe gethan. Gewiß! mit 
Jahn können wir ausrufen: „So lange noch unsre Frauen und Jungfrauen 
so deutsch sind, so lange noch der Tempel der Häuslichkeit so fest steht in 
unserm Vaterlande, so lange ist nicht zu fürchten, daß unser Volksthum 
sinken werde," und wenn auch die alte deutsche Treue, das ächte lautere 
Christcnthum aus unseren Häusern nicht weicht, dann kann es wahr werden, 
was der ritterliche Körner gesungen hat: 
Vor uns liegt ein glücklich Hoffen, 
Liegt der Zukunft gold'ne Zeit, 
Steht ein ganzer Himmel offen, 
Blüht der Freiheit Seligkeit. 
Deutsche Kunst und deutsche Lieder, 
Frauenhuld und Liebesglück,' 
Alles Große kommt uns wieder, 
Alles Schone kehrt zurück. 
Weltgeschichte III. 
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