69
300,000 Ducaten, die sie dem Könige Philipp II. von Spanien geliehen
hatte, waren für ihre Familie verloren, denn sie wurden nie zurückerstattet.
Indessen hatte die Reformation in Polen so überhand genommen,
daß die Hälfte der Senatoren, mehr als die Hälfte des gesammten Adels
sich theils zu Luther's, theils zu Calvin's Lehre bekannte; ja sogar
die nirgends geduldeten Sozi an er fanden hier eine Zuflucht und zahl¬
reiche Anhänger unter den Einheimischen. Hätte Siegmund Anglist
die Neigung der Nation zur Glaubensbefreiung benutzt, so hätte sein Reich,
gehoben von der Bildung lmd Betriebsamkeit, die überall der Reformation
auf dem Fuße folgte, jetzt eine Macht im Osten Eliropa's begründen können,
wie im Westen England sie bereits zu schaffen begann. Allein bei Sieg¬
mund August zeigten sich nach dem Tode seiner geliebten Barbara
deutlich die Folgen einer verfehlten Erziehung. Er hatte sich zwar mit
der Erzherzogin Katharina von Ocstreich vermählt, aber diese war
kränklich und bis zum Unerträglichen launisch. Weil sie ihm sein Haus
verleidete, suchte er außer Hause alle Arten von Zerstreuungen. Sie ver¬
ließ endlich Polen und Siegmund gefiel sich nun wieder, wie in seinen
Jugendjahren, in den Gemächern der Frauen; leider wählte er nicht immer
die besten zu seinem Umgänge. War jedoch der Ton in diesen Gesellschaften
leichtfertig und nicht immer eines Königes würdig, so kann es zur Ehre der
polnischen Frauen gerühmt werden, daß sie, bei freieren Sitten und hei¬
terem Spiele des Lebens, weder Herrschsucht noch Habsucht unter sich auf-
kommen ließen, den Ernst der Politik, Unduldsamkeit und Bigotterie aus
ihrem Kreise verbannten. So waren die Verhältnisse in Polen, als König
Siegmund August im I. 1572 mit Tode abging, der letzte Jagel-
lone, ohne Erben, außer 5 Schwestern, der Hedwig, Kurfürstin von
Brandenburg, Isabelle, Zapolsky's von Ungarn Witwe, Sophia, Her¬
zogin von Braunschweig, Katharina, Gemahlin König Johann's III. von
Schweden, und Anna, die noch unvermählt und bei dem Tode ihres
Bruders 48 Jahre alt war.
§. 16. Dänemark, Schweden und Norwegen.
Obgleich die Reformation auch in mehren außerdeutschen Ländern mit
unbeschreiblichem Eifer ergriffen und angenommen wurde, konnte sie doch
dort keinen festen Fuß fassen, weil außer Deutschland kein Landesfürst geneigt
war, sie selbst anzunehmen. Dieß geschah jetzt und zuerst nur in Schweden,
diesem nordischen Reiche, das noch immer die alte gothische Sprache und
alte deutsche Sitte bewahrte. Dieses Reich war seit den Zeiten der be¬
rühmten Margaretha mit Dänemark und Norwegen unter einem Könige
vereinigt. Allein die freiheitsliebenden Schweden waren häusig mit den
ausländischen Königen, die als geborene Dänen gewöhnlich in Dänemark
residirten, unzufrieden und wählten sich aus ihrer Mitte Reichsverweser.