Erster Zeitraum. Von 1517 bis !76y. 84Y
viele neue Städte, theilte ihr Reich in Statthalter¬
schaften, und brachte durch eine gleichförmigere Ver¬
waltungs-Art, freilich nicht ohne großen Nachtheil der
bürgerlichen Freiheit, mehr Ordnung in die öffentli¬
chen Geschäfte. Rühmlicher war ihr, wenn gleich mi߬
lungener, Versuch, dem Reiche neue Gesetze zu geben.
Endlich auch für Kunst und Wissenschaft that sie Vieles.
Bei großem Glanze war jedoch ihre Negierung
nicht ohne große Gebrechen. — So sehr sie die Gei¬
stesbildung durch Anstalten zu fördern und zu heben
suchte, so geschah doch für den Unterricht der Gemei¬
nen in den Städten wenig, und auf dem Lande so gut
wie gar nichts. Durch ihre vielen Kriege schwächte sie
das Reich an Menschen und Geld. Den Statthaltern
übersah sie viele Gewalttätigkeiten. Vornehmlich aber
war die Herrschaft, welche die Günstlinge, mit denen
sie stets umgeben war, zu üben psiegten, nicht feltew
im höchsten Grade empörend. Mehrere dieser Günstlinge
vergeudeten dre Einkünfte des Staats, verhöhnten öf¬
fentlich jedes sittliche Gefühl, und druckten, wahrend
die wohlthätigen Einrichtungen der Kaiserin in ganz
Europa gepriesen wurden, die Untcrthanen durch Härte
und Grausamkeit darnieder. Mancher wohlthatige Ent¬
wurf mußte unausgeführt bleiben, weil die Günstlinge
die Gelder dazu verschwendet hatten. Furchtbare Ge¬
walt übte besonders P o t em ki n derTaurier. Das
Land, nach welchem ihn Catharina II., römischer Sitte
folgend, nannte, empfand vornehmlich seine Harte.
Zwar bewilligte die Kaiserin den Tataren vollkommenste
Glaubens-Freiheit, und ließ statt der großen französi¬
schen Encyelopädie, welche, dem Vorsatze des letzten
Tatar-Chans, Schahin Gheray's, gemäß, ins Tatari¬
sche übersetzt werden sollte, eine sehr schöne Ausgabe des
Korans veranstalten. Desto trauriger war aber daS
Schicksal der neuen Unterthanen in jeder andern Hin¬
sicht. Mit muthwilliger Verachtung wurden alte Ver¬
fassung, Sitten und Gebrauche vernichtet. Das Recht
wurde verkauft, nicht zu erschwingende Abgaben wur¬
den aufgelegt, die wohlhabendsten Einwohner ihres
Eigenthums beraubt, viele zur Flucht genöthigt, und