Full text: Geschichte des deutschen Volkes und Landes (Cursus 3, Abth. 2)

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Unordnung und Auflösung zu nachgiebig und unentschlossen erschien. 
Matthias sah sich gegen Ende seines Lebens gcnöthiget, dem 
tbatkräftigsien der Erzherzoge, seinem Vetter Ferdinand aus der 
steierischen Linie (Enkel Ferdinand's I.), die Verwaltung von 
Böhmen und Ungarn zu überlassen, auch diesem die Erbfolge zuzu¬ 
sichern, nachdem ihr zu dessen Gunsten des Kaisers Brüder (die 
Erzherzöge Maximilian und Albrecht) entsagt hatten. 
5) Als endlich nach Ausbruch der böhmischen Unruhen Matthias 
abermals zum Nachgeben bereit schien, ließ Ferdinand des 
Kaisers ersten Rathgeber, den Cardinal Kleset, der gern zur 
Milde und Versöhnlichkeit rieth, plötzlich in der Hofburg zu Wien 
verhaften (Juli 1618) und in lange dauerndes Gefängniß nach 
Tyrol abführen. So erlebte Matthias den Schmerz, noch vor 
seinem Ende die wirkliche Gewalt in den Händen eines ihm ver¬ 
haßten Gegners zu sehen. 
Anm. Schiller, Geschichte des dreißigjährigen Krieges. 2 Thle. — K. A. 
Mebold, der dreißigjährige Krieg und die Helden desselben: Gustav 
Adolf, König von Schweden, und Wallenstein, Herzog von Fricdland. 
2 Bd. 1840. — $ uvter, Kaiser Ferdinand II. 10 Bde. 1857—62. — 
K. A. Müller, fünf Bücher vom böhmischen Krieg. 1841. — H. W. I. 
Thier sch, Luther, Gustav Adolf und Maximilian I. don Baiern. 1869. 
§. 47. 
Kaiser Ferdinand II. 1619—1637. Der böhmische Krieg 1620—21. 
1) Ferdinand II. (1619—1637) war der Sohn des Erz¬ 
herzogs Karl, der von seinem Vater, Kaiser Ferdinand I., 
Steiermark, Kärnthen unb Kram erhalten hatte. Man hatte ihn 
früh als Knaben nach Ingolstadt geschickt, um dort in Ge¬ 
meinschaft mit Maximilian von Baiern von den Jesuiten 
erzogen zu werden. In der That wurde er ein tüchtiger Zögling 
derselben, der die Macht, die ihm seine spätere Stellung übertrug, 
mit rücksichtloser Energie und Härte ganz im Sinne des Ordens 
geltend zu machen sich verpflichtet hielt. Wohl zeichnete er sich 
durch manche treffliche Eigenschaften, insbesondere durch Stand¬ 
haftigkeit des Willens aus; noch in Ingolstadt aber hatte er sich 
durch ein feierliches Gelübde die Verpflichtung auserlegt, Herrschaft 
und Leben hintanzusetzen, um die Ketzerei zu vertilgen. Von einem 
so verkehrten Religionseifer irre geleitet, vermochte er seine Zeit 
und was ihr Roth that, nicht zu begreifen, und sich als Regent 
über die Parteien zu stellen, um jede bei ihrem guten Rechte zu 
belassen und zu schützen. Er selbst wurde der befangenste Partei¬ 
mann, und hat dadurch das Unglück der Zeit nicht wenig vermehrt. 
2) Als Ferdinand die Regierung seiner Erblande antrat 
(1596), verweigerte er sofort den Protestanten, die dort in den 
Städten die Mehrzahl ausmachten, die Bestätigung der von seinem
	        
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