257 
der sollten ungestraft, aber auch die Gesetze und Einrichtungen 
des Casars unverändert bleiben. So blieb es einige Tage, und 
schon schien es, als wollten sich seine Freunde mit seinen Mör¬ 
dern aussöhnen, als das Testament Casars, welches nun eröffnet 
wurde, wieder Oel ins Feuer goß. Man fand darin, daß der 
Haupterbe seiner großen Reichthümer der Enkel seiner Schwester, 
der junge Dctavius (der nachmalige Kaiser Augustus), seyn, 
und auf den Fall, daß dieser und die andern Schwesterenkel 
keine Erben hatten, Brutus, sein Mörder, erben solle. Endlich 
fand man, daß er jedem römischen Bürger ein Legat von etwa 
100 Thalern, und seine Garten dem allgemeinen Vergnügen 
vermacht habe. Dies Alles machte Antonius dem Volke in der 
Leichenrede bekannt, die er auf dem Markte dem Entseelten hielt. 
Alles war dabei darauf berechnet, Liebe und Mitleid für Casar, 
und Rache gegen seine Mörder zu erwecken. Er erzählte von 
der Liebe des Ermordeten für die Bürger, die er auch im Te¬ 
stamente kund gethan, versicherte, wie unrecht man ihm thue, 
wenn man glaube, daß er tyrannische Absichten gehabt habe, 
und hob endlich das blutige Gewand in die Höhe, worin er die 
vielen Dolchstiche erkennen ließ. Die Wuth des Volkes wurde 
dadurch aufs höchste gesteigert. Viele tausend Augen vergossen 
Thrancn, unzählige Hände ballten sich zur Wuth; endlich stürzte 
der Pöbel durch die Straßen der Stadt, und konnte nur durch 
Gewalt abgehaltcn werden, die Hauser der Mörder in Brand 
zu stecken. Diese hielten sich endlich in Rom nicht mehr für 
sicher, und entwichen aus der Stadt. 
Antonius, ein junger, ehrgeiziger, der Schwelgerei sehr 
ergebener Mann, benutzte diese Verwirrung der Umstande, um 
sich zur höchsten Macht emporzuschwingen. Er legte sich eine 
Leibwache von 6000 Mann zu, und nun hatten die Römer 
einen viel schlimmern Tyrannen, als Cäsar je gewesen war. 
Alles, was er verlangte, mußte geschehen, und er mißbrauchte 
den Namen Cäsars auf die unverschämteste Art. Um diese Zeit 
kam ein Mann nach Rom, der bestimmt war, auf die Schicksale 
Roms mehr einzuwirken, als irgend ein Andrer vor ihm. Das 
war Octavius, der Enkel der Schwester Cäsars, und sein 
Hauptcrbe. Er war noch nicht neunzehn Jahre alt, besaß aber 
schon eine weit über sein Alter gehende Schlauheit und Gewandt- 
Weltgeschichte für Töchter, l. 17 
r
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.