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der sollten ungestraft, aber auch die Gesetze und Einrichtungen
des Casars unverändert bleiben. So blieb es einige Tage, und
schon schien es, als wollten sich seine Freunde mit seinen Mör¬
dern aussöhnen, als das Testament Casars, welches nun eröffnet
wurde, wieder Oel ins Feuer goß. Man fand darin, daß der
Haupterbe seiner großen Reichthümer der Enkel seiner Schwester,
der junge Dctavius (der nachmalige Kaiser Augustus), seyn,
und auf den Fall, daß dieser und die andern Schwesterenkel
keine Erben hatten, Brutus, sein Mörder, erben solle. Endlich
fand man, daß er jedem römischen Bürger ein Legat von etwa
100 Thalern, und seine Garten dem allgemeinen Vergnügen
vermacht habe. Dies Alles machte Antonius dem Volke in der
Leichenrede bekannt, die er auf dem Markte dem Entseelten hielt.
Alles war dabei darauf berechnet, Liebe und Mitleid für Casar,
und Rache gegen seine Mörder zu erwecken. Er erzählte von
der Liebe des Ermordeten für die Bürger, die er auch im Te¬
stamente kund gethan, versicherte, wie unrecht man ihm thue,
wenn man glaube, daß er tyrannische Absichten gehabt habe,
und hob endlich das blutige Gewand in die Höhe, worin er die
vielen Dolchstiche erkennen ließ. Die Wuth des Volkes wurde
dadurch aufs höchste gesteigert. Viele tausend Augen vergossen
Thrancn, unzählige Hände ballten sich zur Wuth; endlich stürzte
der Pöbel durch die Straßen der Stadt, und konnte nur durch
Gewalt abgehaltcn werden, die Hauser der Mörder in Brand
zu stecken. Diese hielten sich endlich in Rom nicht mehr für
sicher, und entwichen aus der Stadt.
Antonius, ein junger, ehrgeiziger, der Schwelgerei sehr
ergebener Mann, benutzte diese Verwirrung der Umstande, um
sich zur höchsten Macht emporzuschwingen. Er legte sich eine
Leibwache von 6000 Mann zu, und nun hatten die Römer
einen viel schlimmern Tyrannen, als Cäsar je gewesen war.
Alles, was er verlangte, mußte geschehen, und er mißbrauchte
den Namen Cäsars auf die unverschämteste Art. Um diese Zeit
kam ein Mann nach Rom, der bestimmt war, auf die Schicksale
Roms mehr einzuwirken, als irgend ein Andrer vor ihm. Das
war Octavius, der Enkel der Schwester Cäsars, und sein
Hauptcrbe. Er war noch nicht neunzehn Jahre alt, besaß aber
schon eine weit über sein Alter gehende Schlauheit und Gewandt-
Weltgeschichte für Töchter, l. 17
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