34
verbindend, zwei eiserne Bettstellen hatte. Die eine war kurz,
die andere lang. Fing er nun einen Reisenden von langer Ge¬
stalt, so schleppte er ihn zu der kurzen, legte ihn darauf, und,
indem er rief: „siehe! du paffest nicht hinein; ich muß dich kür¬
zer machen!" hieb er ihm die hervorragenden Theile, Füße und
Kopf ab. Wenn der Reisende aber klein war, so wurde er in
die lange gelegt. „Ei!" rief er dann; „wie klein du bist!
Warte, ich will dich größer machen!" — Und so zerrte er ihn
so lange aus einander, bis er die Bettstelle ausfüllte, oder ihm
die Glieder zerrissen. Nun kam Theseus; schon freute sich Pro-
krustes über den guten Fang, und dachte schon an die kurze Bett¬
stelle, als Theseus ihn mächtig niederwarf, und ihm nun zum
wohlverdienten Lohn denselben Tod gab, den er so vielen Un¬
glücklichen bereitet hatte.
Mit der Keule des Periphetes kam Theseus nun nach Athen.
An dem Schwert erkannte ihn Aegeus bald, und freute sich
recht herzlich, plötzlich einen Sohn, und einen so lieben, um¬
armen zu können. Aber der thätige Jüngling blieb nicht lange
daheim. Er hörte von einem wilden Stiere, der in der Nach¬
barschaft von Athen das Feld bei Marathon unsicher machte,
und vielen Schaden that. Keiner getraute sich in die Gegend.
Da machte sich Theseus auf, sing das Unthier ein, und führte
es vor den Augen des erstaunten Volks durch die Straßen von
Athen. Bei der Gelegenheit äußerte sich ein schöner Zug an¬
spruchsloser Weiblichkeit. Als Theseus gegen den Stier ausge¬
zogen war, trieben ihn Hitze und Hunger in eine kleine Hütte,
in welcher eine arme, alte Frau, Hekale, allein wohnte. „Hast
du nichts zu essen, Mütterchen?" fragte Theseus. „Ach nichts!"
antwortete sie, „als einige Krauter; sind sie dir nicht zu schlecht,
so will ich sie dir herzensgern bereiten." Und hurtig las sie
sie aus, und bereitete einen Salat, womit sie den Schmachten¬
den labte.' Mit Freude in den Augen sah sie, wie es ihm
schmeckte, und heiße Gebete schickte sie zum Himmel für seine
glückliche Wiederkehr. Das eine mußte er ihr versprechen, auf
der Rückkehr wieder einzusprechcn, damit sie seiner Rettung ge¬
wiß würde. Aber als er heim zog, fand er die freundliche Alte
nicht mehr am Leben; entseelt lag sie da; die Götter hatten
sie gleich nach ihrer guten That zu sich genommen. Aber The-