ßenjungen Geld ausgetheilt, daß sie rufen sollten, und die riefen
denn auch aus vollen Kräften: „es lebe König Richard!" —
„Gut!" sagte der Minister, „nun weiß .'an doch, daß ihr all¬
gemein den Herzog zum König haben wollt." Und Glocester?
— Der stellte sich, als wüßte er von diesem ganzen Gaukelspiele
nichts, und ließ sich erst recht bitten und nöthigen, ehe er die Krone
annahm. O der Heuchelei!
Auf dieses lächerliche Schauspiel folgte bald ein desto trau¬
rigeres. Richard III. — so nannte sich Glocester als König —
befahl dem Commandanten des Towers (sprich Tauer) in Lon¬
don, wo er bereits den jungen König und den kleinen F)ork ein¬
gesperrt hatte, diese beiden Kinder zu tödten. „Behüte der Him¬
mel!" antwortete der brave Mann. „Gut!" sagte Richard,
„so befehle ich, daß du auf Eine Nacht dem Sir Tyrrel die Schlüs¬
sel des Towers abtrittst." Das geschah. Dieser Unmensch hatte
versprochen, die Schandthat zu vollführen/ Er nahm drei Ge-
hülfen mit. Nachts schlich er sich mit ihnen an die Thüre des
Zimmers, wo die Kinder sorglos schlummerten. Er schickte die
Mörder hinein; er selbst wartete draußen das Bubenstück ab.
Jene drückten Betten auf die armen Knaben, bis sie erstickt wa¬
ren, zeigten dann dem Tyrrel die nackten Leichname, und dieser
ließ sie unter einen Haufen Steine tief in die Erde vergras
ben. Himmel! Ist es möglich, daß Menschen so handeln kön¬
nen! — *)
Nun erst glaubte Richard ruhig athmen zu können; denn
*) Der berühmte Dichter Shakspeare, der gegen Ende des 16ten
Jahrhunderts in England lebte, sagt in seinem TrauerspielMichard III.
eben so rührend-als schön:
So lag das zarte Paar,
Sich fest umschlingend
Mit den unschuldgen Alabasterarmen,
Wie Rosen Eines Stengels ihre Lippen,
Die sich in ihrer Sommerschönheit küssen.
Und ein Gebetbuch lag auf ihrem Bette. — Man würgte hier
Das süße Werk, das schönste, das Natur
Seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet.
Das Zimmer, wo die That geschah, ist noch heute zu sehen, und wird
der Blutthurm genannt.