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sein ältester und liebster Sohn Karl. Mit diesem wurden seine 
letzten Freuden zu Grabe getragen, und er fühlte — dieser mäch¬ 
tige Kaiser— die Hinfälligkeit alles Irdischen auch selbst auf den, 
Gipfel irdischen Glanzes. Alles, was er am innigsten liebte, war 
jetzt todt; auch seine vier Frauen, seine liebsten Freunde, viele 
seiner Kinder waren ihm vorangegangen in das Land, aus wel¬ 
chem Keiner wiederkehrt. Einsam war er, der gute Kaiser, zurück¬ 
geblieben; von seinen vielen Kindern lebten nur noch Ein Sohn, 
gerade der unfähigste von allen, und vielleicht fünf Tochter. 
Sein Leben neigte sich nun zu Ende. Seine Gesundheit, sonst 
so fest, nahm zusehends ab, und den Rath der Aerzte verschmähte 
er, weil sie ihm sein Leibcsscn, gebratnes Fleisch, verboten. Da 
fühlte er seinen Tod herannahen. Er schickte nach seinem nock- 
einzigen Sohne, Ludwig, und ließ ihn nach Aachen kommen. 
In feierlicher Versammlung aller seiner Großen fragte er sie, ob 
sie ihn auch zum Herrn haben und ihm treulich gehorchen woll¬ 
ten, und Alle riefen: „Ja! das ist Gottes Wille!" — Am fol¬ 
genden Tage ließ sich Karl, so schwach er auch war, noch einmal 
als Kaiser schmücken. In vollem kaiserlichen Ornate, die Krone 
auf dem Haupte, ging er in den selbsterbauten Münster, kniete 
in langem stillen Gebete mit seinem Sohne vor dem Altare nie¬ 
der, und ermahnte ihn dann mit laut-erhobener Stimme vor der 
zahlreichen Versammlung: vor allen Gingen den allmächtigen 
Gott zu fürchten und zu lieben, seinen Geboten in alle Wege zu 
gehorchen, und die Kirche Gottes gegen Ruchlose zu schirmen. 
Niemals möge er seine Gnade von seinen Schwestern und an¬ 
dern Verwandten abwenden, immer die Priester ehren, sein Volk 
wie ein Vater lieben, ein Tröster der Armen seyn, und zu allen 
Zeiten vor Gott unsträflich wandeln. ,,Willst du das Alles thun, 
mein lieber Sohn?" fragte er ihn zuletzt mit gerührter Stimme. 
„Mit Freuden will ich gehorchen," rief Ludwig mit Thranen aus, 
„und mit Gottes Hülfe Alles vollbringen, was du mir geboten 
hast!" — „Nun, so nimm," sagte der Kaiser, „die Krone mit 
eigenen Händen vom Altare, und setze sie dir aufs Haupt." — 
Das geschah, und nun wankte der alte gute Herr, auf die Schul¬ 
ter seines Sohnes gestützt, wieder nach der Kaiserburg zurück, und 
pries sich glücklich, daß sein Auge noch seinen Sohn mit der Kai¬ 
serkrone gesehen habe.
	        
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